Pamela Mitford

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Die Schwestern von Mitford Manor – Gefährliches Spiel
Jessica Fellowes
Aus dem Englischen von Andrea Brandl
erschienen am 02.September 2019 im Pendo Verlag
ISBN 978-3-86612-453-0

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Auf sechs Bände ist diese Krimireihe ausgelegt. Sechs Bände, weil es sechs Mitford-Schwestern gibt. Die Mitfords sind eine englische Adelsfamilie, die in den Zwanzigern bis Vierzigern des letzten Jahrhunderts von sich reden machten. Die Schwestern waren ebenso hübsch wie unangepasst. Man sprach von Diana der Faschistin, Jessica der Kommunistin, Unity der Hitler-Verehrerin, Nancy der Schriftstellerin, Deborah der Duchess und Pamela der farblosen Geflügelbratenliebhaberin.
Band 1 beschäftigte sich mit der ältesten Schwester, Nancy, die tatsächlich eine Karriere als Schriftstellerin machte. In Band 2 nun geht es um Pamela, die Bodenständigste der Schwestern. Sie scheint sich hauptsächlich mit Pferden und Kochen beschäftigt zu haben und Skandalen weitestmöglich aus dem Weg gegangen zu sein.
Jessica Fellowes verknüpft das Leben jeder Schwester mit einem erfundenen Mord, d. h. sie mischt Biographisches mit Erfundenem. Im ersten Band ist ihr das sehr charmant gelungen, Band 2 dagegen ist leider eher verworren und langatmig.
An Pamelas 18. Geburtstag stürzt einer der Gäste vom Kirchturm in den Tod. Des Mordes verdächtigt wird ein Dienstmädchen. Das aus dem ersten Band schon bekannte Kindermädchen Louisa Cannon beginnt zu ermitteln. Zu Hilfe kommt ihr dabei wieder der Polizist Guy Sullivan. Wir folgen Louisa nun vom beschaulichen Mitford Manor ins trubelige London der Roaring Twenties mit der schillernden Meisterdiebin Alice Diamond im Mittelpunkt. Jessica Fellowes hat erneut hervorragend recherchiert, aber diesmal hapert es in der Umsetzung. Die Charaktere bleiben blass, die Story ist begrenzt glaubwürdig. Selbst das Prickeln zwischen Louisa und Guy entfällt weitestgehend. Da hilft auch eine Konkurrentin in Form von Guys Kollegin Mary Moon nicht.
Die Protagonisten scheinen stets gehetzt unterwegs zu sein, von Party zu Party, von Club zu Club, auf den Straßen Londons. Und Louisa hat für eine Angestellte erstaunliche Möglichkeiten und Freiheiten. Sie scheint ihren Dienstplan beständig ungestraft umstürzen zu dürfen und tummelt sich in der Großstadt, wenn sie eigentlich auf dem Lande Kinder hüten sollte.
Alles in allem ist Band 2 solide Krimikost mit Downton Abbey-Flair, dabei etwas uninspiriert. Vermutlich konnte die Autorin mit der lieben Pamela wenig anfangen. Daher bin ich tatsächlich gespannt auf die nächsten beiden Bände, die mit der Faschistengattin Diana und dem Hitler-Fangirl Unity etwas schillernderes Personal aufzuweisen haben.

Ich danke dem Piper Verlag für das zur Verfügung gestellte Leseexemplar.

 

 

Hinter der Maske

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Die sieben Tode der Evelyn Hardcastle
Stuart Turton
Aus dem Englischen von Dorothee Merkel
erschienen am 24. August 2019 im Tropen Verlag
ISBN 978-3-608-50421-7

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„Agatha Christie meets Und täglich grüßt das Murmeltier“, so steht es auf der Buchrückseite. „Ein teuflisch spannender Kriminalroman.“ meint die Times dazu. Entsprechend hoch waren meine Erwartungen an das Debüt des Reisejournalisten Stuart Turton.
Der Inhalt ist kompliziert, so kompliziert, dass eine Kurzbeschreibung schwierig ist, will man nicht zuviel verraten. Und das will ich definitiv nicht, sollen doch meine Nachfolger unter ähnlich vor Spannung abgekauten Fingernägeln leiden wie ich.
Irgendwo im Wald, meilenweit vom nächsten Dorf entfernt, liegt das Anwesen der Hardcastles. Die Familie wohnt dort schon lange nicht mehr. Das Haus ist eine Ruine, bewohnbar gemacht nur für ein Ereignis: einen Maskenball. Auf dem Höhepunkt des Festes begeht die Tochter des Hauses, Evelyn Hardcastle, scheinbar einen Selbstmord. Die Besonderheit: der Tag wiederholt sich so oft in Endlosschleife, bis jemand die tatsächlichen Geschehnisse darlegen kann.
Auf den ersten Blick ein klassischer britischer Landhauskrimi, -ein von der Welt abgeschlossenes Gelände, eine begrenzte Anzahl Gäste, ein durch Kombinationsgabe zu lösendes Vergehen – , erhöht Turton mit dem Zeitschleifendreh die Spannung ins Unendliche. Jeder Tag beginnt anders, die Karten müssen quasi neu gemischt werden, nur das Grundgerüst verläuft gleich. Der Leser hetzt mit dem Autor Beweismittel suchend durch den Text, muss Finten erkennen und um das Leben einiger Ballgäste fürchten, während die Zeit von Seite zu Seite abläuft.
Meine Familie musste zwei Tage mit den Buchdeckeln kommunizieren, weil es mir wirklich extrem schwer gefallen ist, Pausen einzulegen. So bin ich tatsächlich in kürzester Zeit durch die 604 Seiten gerauscht und habe mir dabei mehrfach selbst auf die Finger geklopft, um nicht auf die letzten Seiten zu schauen.
Einziger Wermutstropfen: das Ende mit der abschließenden Auflösung des gesamten Geschehens war mir zu weit hergeholt. Ich hatte mich schon während des Lesens danach gefragt und war dann ein wenig enttäuscht. Aber niemand sollte sich davon nun vom Lesen abhalten lassen! Turton ist es wirklich gelungen, den Whodunit in die Gegenwart zu holen, den Staub abzuklopfen und einen unerwartet großartigen Dreh einzuführen, der es ihm erlaubt, fast jeden Ermittlertypus auftreten zu lassen. Und , aber das ist nur eine Vermutung meinerseits, die auch keineswegs stimmen mag, wir treffen auf alte Bekannte im neuen Kleid: Sherlock Holmes, Nero Wolfe, Philip Marlowe. Da ich nicht alle entschlüsseln konnte, kann das jedoch auch schlicht meine blühende Phantasie sein. Passen würde es allerdings zu diesem ausgeklügelten Werk allemal.
Ein abschließender Tipp: man nehme sich Zeit und Ruhe zum Lesen, nebenher laufen lassen kann man diesen komplexen Roman definitiv nicht.

Ich danke dem Tropen Verlag herzlich für das zur Verfügung gestellte Leseexemplar.

Weitere Besprechungen:

Leselust Andreas Kück https://andreaskueckleselust.com/2019/08/25/rezension-stuart-turton-die-sieben-tode-der-evelyn-hardcastle/

The Honourable Miss Fisher

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Tod am Strand
Kerry Greenwood
Aus dem australischen Englisch von Regina Rawlinson
erschienen am 13.Mai 2019 im Insel Verlag
ISBN 978-3-458-36405-4

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Ich bekenne es freimütig: ja, auch ich bin Miss Fisher-Fan. Ich habe sämtliche Staffeln der Serie gesehen und geliebt. Und es hat mich geärgert, dass die Buchreihe auf der die Serie beruht, allenfalls antiquarisch erhältlich war. Nun hat der Fischer Verlag einen Band der Reihe veröffentlicht. Nicht den ersten, nein, irgendeinen und ob weitere folgen, steht in den Sternen. Ich muss gestehen, dass mich das arg irritiert.
Aber nun zum Roman. Eine Blumenparade mit Miss Fisher als Blumenkönigin steht an, als eines der Blumenmädchen halbtot am Strand aufgefunden wird und Adoptivtochter Ruth spurlos verschwindet. Natürlich beginnt Phryne Fisher sofort zu ermitteln…
Dies ist tatsächlich einer der seltenen Fälle, in denen die Verfilmung besser ist als die Vorlage. Was im Film keck und spritzig daher kommt, ist im Buch doch eher betulich und altbekannt. Die spannungsgeladene Verbindung zu Inspector Jack Robinson, die in der Serie großen Raum einnimmt, ist im Buch eher nebensächlich als erotisch, dafür hält sich Phryne einen asiatischen Liebhaber nebst Ehefrau. Tatsächlich liest sich der Roman ganz nett und ist im Urlaub oder nach stressigen Arbeitstagen eine hübsche, aber seichte Ablenkung, mehr jedoch nicht. Ein Hoch auf die Serienmacher, die diese australische Miss Marple in die energiegeladene und glamouröse Miss Fisher verwandelt und damit die Serie so großartig gemacht haben!
2020 soll übrigens ein Miss Fisher-Film in die Kinos kommen, der Phryne wohl in die Kronkolonie Indien schicken wird. Ich bin gespannt.
Was nun den Verlag geritten hat, einen wahllosen Einzelband zu veröffentlichen, bleibt geheimnisvoll. Das nun wiederum passt aber irgendwie zum Titel der Reihe „Miss Fishers mysteriöse Mordfälle“. Vielleicht sind bei dem Blumenfest ja auch die Vorgängerbände verschollen…

Ein Krokodil in Tel Aviv

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Achtzehn Hiebe
Assaf Gavron
Aus dem Hebräischen von Barbara Linner
erschienen am 08. April 2019 im btb Verlag
ISBN 978-3-442-71861-0

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Witzig. Rasant. Respektlos. Sehr unterhaltsam. Das verspricht der Klappentext des Verlages bei diesem neuen Roman des israelischen Bestsellerautors.
Witzig ist das Buch stellenweise durchaus, wenn man sich denn Stan und Ollie im modernen Tel Aviv vorstellen kann. Rasant ist es auch, immerhin ist der Protagonist Taxifahrer. Respektlos fand ich es eigentlich nicht, dafür manchmal ein wenig geschmacklos und wenn wir das „sehr“ streichen, stimmt der Rest auch.
Es fällt mir ein wenig schwer, den Finger auf die Wunde zu legen, nicht, weil ich nicht wüßte, wo es schmerzt, sondern, weil der Text sich als Krimi verkleidet hat und es daher unfair wäre, den Inhalt zu breit auszuwalzen.
Eitan Einoch, genannt „Krokodil“ (jaha, daher der wenig einfallsreiche Titel meiner Kolumne) ist Taxifahrer in Tel Aviv und außerdem gescheiterter Hobbydetektiv. Bei einer seiner Fahrten lernt er Lotta Perl kennen, eine charmante ältere Dame, die regelmäßig zum Friedhof gefahren zu werden wünscht. In einem ihrer Gespräche gesteht sie, Angst davor zu haben ermordet zu werden und engagiert Einoch, um in einer privaten Sache Nachforschungen zu betreiben. Dieser kontaktiert dafür seinen ehemaligen Kollegen Bar und wirft sich ins Getümmel.
Für mich ist Plausibilität wichtig, besonders bei einer Krimihandlung. Leider toben Bar und Einoch derartig naiv durch das Geschehen, dass mir der Spass recht schnell verging. Dazu kommen Handlungsteile, deren Wahrscheinlichkeit an Null grenzen, aber Dreh- und Angelpunkte der Story sind. Die achtzehn Hiebe des Titels sind nämlich reale Peitschenhiebe. Würde man die Person, die für die Verabreichung gesorgt hat, fünfzig Jahre später heiraten wollen, ohne Kontakt in der Zwischenzeit wohlgemerkt?
Von Seite zu Seite wurden mir die Protagonisten unsympathischer. Nun muss man Romanhelden nicht mögen, hier war es aber wohl eigentlich so angedacht. Vielleicht bin ich aber auch schlicht eine Generation zu alt. Ich fühlte mich an das Spiel „Scotland Yard“ erinnert, während ich mit dem Taxi über das Spielbrett, Verzeihung, durch Tel Aviv sauste. Vielleicht hätte ich auch besser ein männlicher Leser sein sollen, der sich für Viagra und schöne Frauen interessiert. Vielleicht…
Vielleicht ist dieser Roman aber auch einfach trotz der Jubelkritiken mittelmäßig. Oder ich bin zu miesepetrig für den Inhalt. Jedenfalls passen wir nicht zusammen, das Krokodil und ich.

Ich danke dem btb Verlag für das zur Verfügung gestellte Leseexemplar.

 

Hollywood 1922

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Der blutrote Teppich
Christof Weigold
erschienen am 11. April 2019 im Verlag Kiepenheuer & Witsch
ISBN 978-3-462-05141-4

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Vor etwa einem Jahr erschien der erste Band dieser Reihe über den deutschen Privatdetektiv Hardy Engel, verkrachter Schauspieler, Expolizist, der im Hollywood der 1920iger gestrandet ist und nun Kriminalfälle löst. Ich war und bin hellauf begeistert von dieser Mischung aus Fakten und Fiktion, von den Charakteren, dem ganzen Aufbau des Romans.
Und nun also Band 2 mit einem weiteren Mordfall hinter den Kulissen. Diesmal geht es um den Regisseur William Desmond Taylor, der offenbar kurz nach einem Telefonat mit Engel ermordet wurde. Und die Polizei ist mehr als gewillt, den aufmüpfigen „Schnüffler“ als Tatverdächtigen festzunehmen.
Wenn der erste Band so hervorragend ist, habe ich beim Nachfolger immer ein wenig Angst. Wird das Niveau bleiben? Wird der nächste Band eigenständig sein oder nur am Vorgänger abgekupfert?
Beim ersten Anblick des Buches war ich ernsthaft enttäuscht. War Band 1 noch fest gebunden, ein goldener Backstein sozusagen und als Mordinstrument durchaus geeignet, handelt es sich nun um ein Taschenbuch mit arg dünnen Seiten. Da hat der Verlag wohl kostengünstig gedacht. Aber vielleicht greift der klassische Krimileser ja auch lieber zu einem Taschenbuch?
Und der Inhalt? Nun…
Offen gestanden gefällt mir der zweite Band noch besser als der erste. Er ist straffer, einen Tick spannender und vertraute Charaktere gewinnen noch mehr Profil.
Man gewinnt den Eindruck, es müsse Christof Weigold höllischen Spass bereiten, Hardy Engel durch das Labyrinth Hollywood zu geleiten und dabei reale Figuren lebensecht einzubauen. Sei es „Uncle Carl“ Laemmle oder Ernst Lubitsch, Charlie Chaplin oder Douglas Fairbanks (Senior, der Junior war zu dem Zeitpunkt erst dreizehn Jahre alt). Es gibt auch ein paar wirklich witzige Szenen mit Dorothy Parker und dem Algonquin Round Table.
Ich finde es immer gerade bei Krimis sehr schwer, eine Besprechung zu schreiben, die alles Wesentliche enthält, aber nicht zu viel verrät. Aber ich muss doch unbedingt verkünden, dass ich stark hoffe, dass Miss Polly Brandeis, die Engel diesmal von Zeit zu Zeit bei seinen Ermittlungen unterstützt, uns für die nächsten Bände erhalten bleibt. Überhaupt, die nächsten Bände: möge dem Autor nicht die Puste ausgehen, möge der Verlag die Reihe weiter verlegen (meinetwegen auch als Taschenbuch), möge es noch genug Stoff geben und Hardy Engel bis ins hohe Alter ermitteln und möge es mindestens die nächsten zehn Jahre im Frühjahr einen weiteren Band geben! Ich erkläre die Hardy Engel-Romane hiermit offiziell zu meiner derzeit liebsten Krimi-Reihe. Ich hoffe sehr, wir kommen noch bis in die Dreißiger Jahre, zu meinen Hausgöttern Astaire, Stewart, Gable, zu Busby Berkeley und Ruby Keeler usw. Und daher lege ich allen Krimi-, Film,- Hollywood,- und Philipp Marlowe- Interessierten diese Reihe ans Herz!

Ich danke Kiepenheuer & Witsch herzlich für das zur Verfügung gestellte Leseexemplar.

Arg betulich

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Mord auf Selchester Castle
Elizabeth Edmondson
Aus dem Englischen von Peter Beyer
erschienen am 18.02.2019 im Goldmann Verlag
ISBN 978-3-442-48824-7

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Ich habe ja nun schon diverse Male erwähnt, dass ich gerne britische Krimis lese. Bei mir muss es durchaus nicht blutig sein, solange das Buch charmant, gerne ein wenig verschroben, aber logisch aufgebaut ist. Eben passend zu Kamin, Gummistiefeln und Hochmoor. Oder Scones, Tee und Hochadel. Ich scheue da kein Klischee…
Der Vorgänger dieses Romans, „Der Tote in der Kapelle“, entsprach dem weitestgehend. Schauplatz ist eine alte Burg und das dazugehörige Dorf. Es gibt ein ansprechendes Ermittlerduo, eine Teestube, einen Buchladen und einen verschwundenen Earl. Wunderbar zum Schmökern und Entspannen.
Der zweite Band nun baut auf dem ersten auf. Wobei das schon fast übertrieben formuliert ist. Sagen wir besser, der zweite Band spielt im gleichen Setting. Allerdings gibt es kaum Besuche im Dorf und somit auch keine putzigen Dorfbewohner, fehlt das Knistern zwischen den beiden Hauptpersonen Hugo und Freya zur Gänze, wirkt es ein wenig so, als wären der Autorin die Ideen ausgegangen. Kurz, die Handlung stagniert. Zwar wurde ein Nachfolge-Earl aus dem Hut gezaubert, ein Amerikaner gar, aber das Potential, das ein waschechter Amerikaner im traditionell-dörflichen Britannien geboten hätte, das wurde nicht andeutungsweise ausgeschöpft. Man überlege sich nur, welche schönen Szenen sich da auf der kalten, uralten Burg seiner Vorfahren hätten ergeben können. Stattdessen gibt es ein paar halbgare Mordversuche, denen der gute Mann mühelos entrinnt bzw die er kaum wahr nimmt. Wenn man auf mich mit einer Armbrust schießen würde, würde ich danach übrigens nicht entspannt durchs Dorf tapsen. Aber ich bin ja auch kein Earl.
Nein, dieser zweite Band war selbst mir zu spannunglos. Da helfen auch keine Spielchen mit alten elektrischen Leitungen im Wintergarten. Da hätte nur noch ein erzählerischer Blitzschlag helfen können, aber der blieb leider aus.

Weitere Besprechungen:

Esthers Bücher https://esthersbuecher.wordpress.com/2019/02/24/elizabeth-edmondson-mord-auf-selchester-castle/

Bruder Cadfael

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Das Licht auf der Straße nach Woodstock

Ellis Peters

aus dem Englischen von Jürgen Langowski

erschienen 1996 im Heyne Verlag

 

Es ist mal wieder Zeit für Fundstücke im Bücherregal. Wobei das diesmal kein richtiger Fund war, weil ich ja weiß, dass ich Cadfael-Romane dort habe. Aber sie sind im Buchhandel vergriffen, was ich äußerst schade finde.
Bruder Cadfael ist ein Mönch, der zwischen 1120 und 1145, in der Benediktinerabtei Shrewsbury in England, Kriminalfälle löst. In diesem Band erfahren wir, wie es dazu kommt, dass der Krieger Cadfael das Schwert niederlegt, um die Kutte zu wählen. Dabei löst er natürlich gleich seinen ersten Fall und hat sozusagen seine Berufung gefunden. Es ist eine aufregende Zeit, in der er da lebt. Der Thron ist heiß umkämpft. Hunger, Armut und Seuchen bedrücken die Menschen, von denen viele in Leibeigenschaft leben.
20 Bände hat Ellis Peters von 1977 bis 1994 ihrem kämpferischen Mönch gewidmet, der bei Unrecht nicht ruhen kann, bis er den Schuldigen gefunden hat, unabhängig von dessen Stand und Macht. Gut recherchiert, kommt die Reihe mit wenig Blut aus, vielmehr wird die mittelalterliche Abtei und der dazugehörende Ort Shrewsbury zu neuem Leben erweckt. Dank Cadfaels Heilertätigkeiten erfährt man auch viel über Kräuter und Tinkturen, die zu der Zeit genutzt werden.
In den Neunzigern wurde die Reihe mit Sir Derek Jacobi verfilmt. Ich mag die Serie, auch wenn sie natürlich heutigen Verfilmungsansprüchen nicht mehr gerecht wird.
Im Grunde liegt da ein kleiner, inzwischen nahezu unbekannter Schatz, den man wieder auflegen und ganz sicher auch spannend neu verfilmen könnte.

Cormoran Strike

Weisser Tod von Robert Galbraith

Weisser Tod

Robert Galbraith

Deutsch von Wulf Bergner, Christoph Göhler und Kristof Kurz

erschienen am27.Dezember 2018 im Blanvalet Verlag

ISBN 978-3-7645-0698-8

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Ich hatte ja so meine Zweifel. Und ich konnte sie verstehen. Joanne K. Rowling meine ich. Ich mag die Harry Potter-Bände, wirklich. Ich finde sie unglaublich phantasievoll, lebendig und hervorragend geschrieben. Aber der Hype darum geht mir nun schon seit geraumer Zeit auf den Nerv.
Als ich dann las, Frau Rowling hätte nun unter dem Pseudonym Robert Galbraith einen Krimi verfasst, dachte ich zuerst etwas eher unfreundliches, etwas in Richtung „auch das noch“. Und fast im selben Augenblick dachte ich, was soll sie auch sonst machen, damit die Leute ihre weiteren Bücher lesen ohne zu vergleichen? Da das Pseudonym ja aber schneller gelüftet war als man „Cormoran Strike“ sagen kann, war es eigentlich auch für die Katz. Oder eine Werbemasche, dann war es erfolgreich. Nichtsdestotrotz hätte ich über all diesen Überlegungen fast vergessen, dass Frau Rowling eines wirklich gut kann, nämlich spannende Geschichten erzählen. Und als mir das wieder einfiel, griff ich zum Buch…
Inzwischen habe ich gerade den vierten Band der Reihe gelesen. Und warte seitdem sehnsüchtig auf den fünften (nicht lachen!). Die Reihe um den Privatdetektiv Cormoran Strike und seine Assistentin Robin Ellacott ist ebenso spannend wie charmant. Besonders beeindruckend finde ich dabei, dass Frau Rowling eigentlich ausschließlich mit altbekannten Versatzstücken arbeitet: der eigenbrötlerische Privatdetektiv, seine attraktive rothaarige Partnerin, die Frage, ob sie nun ein Paar werden oder nicht. Obwohl man das alles kennt, hundertemal woanders gelesen hat, ist es keine Sekunde langweilig. Es sind Details, die den Unterschied machen: Strikes Beinprothese, die eben nicht irgendwie cool ist, sondern bei Belastung schmerzt, Robins Panikattacken, seit sie fast Opfer eines Serienmörders geworden wäre, Geldsorgen, seltsame Klienten – lebendige Charaktere eben und trotz der Schablonenhaftigkeit nicht hölzern. Ein modernisierte Version des klassischen Krimis, nahe an Elizabeth Georges Stil.
Auch, wenn die einzelnen Bände bzw Fälle abgeschlossen sind, würde ich chronologisches Lesen empfehlen, denn die Entwicklung des beständigen Personals ist fortlaufend und der Einstieg in den 4.Band z.B. wird leichter, wenn man weiß, was Strike dazu bringen konnte, unangemeldet in Robins Hochzeit zu platzen.
Wenn man also gut geschriebene Krimis mag, die nicht zielgerichtet kurz und knapp der Lösung zustreben, sondern ausufernd (ca 860 Seiten) den Fall von jeder möglichen Seite betrachten, die genug Raum haben für Privatbesuche bei den Ermittlern und ihrem Umfeld, dann dürfte man an dieser Reihe seinen Spass haben.
Da bisher jeder Band dicker war als der vorhergehende, bin ich übrigens sehr gespannt, welche Seitenzahl uns im fünften Band erwartet. Aber das nur am Rande…

Chandler auf jiddisch

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Die Vereinigung jiddischer Polizisten

Michael Chabon

Aus dem amerikanischen Englisch von Andrea Fischer

erschienen am 16.04.2008 als HC und am 16.08.2018 als TB bei Kiepenheuer & Witsch

ISBN des TB 978-3-462-05238-1

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Sitka, Alaska. Nach dem Zweiten Weltkrieg und der Atombombe auf Berlin, durften sich geflüchtete Juden dort mit Erlaubnis der Amerikaner einen eigenen kleinen Staat errichten. Nun soll die Enklave zurück an die USA fallen und die dort wohnenden Juden wären wieder heimat- und staatenlos. In dem Chaos der Abwicklung und inmitten sich auflösender Behörden und Zuständigkeiten geschieht in einem kleinen, schmierigen Hotel ein Mord. Ein junger Schachspieler wird mit einer Kugel im Kopf auf seinem Zimmer aufgefunden. Der zufällig im selben Hotel wohnende Polizist Meyer Landsman beginnt zu ermitteln und sticht dabei in ein Wespennest.
Was für ein grandioser Roman! Einerseits ein Krimi im Stile Chandlers, mit einem Protagonisten, der ähnlich zerbeult agiert wie Philip Marlowe, andererseits aber auch ein Blick auf die unterschiedlichen Strömungen jüdischen Lebens. Die Chassidim und Zionisten kommen dabei eher schlecht weg, verhalten die „Schwarzhüte“ sich doch ähnlich wie die Mafia und haben ihr Netzwerk über ganz Sitka gespannt.
Mit ungeheurer Fabulierlust, viel Wortwitz und genauso viel Einfühlungsvermögen führt uns Chabon durch seine Welt bzw durch Meyer Landsmans Welt. Glaube, Politik, Schach, die große Liebe, Identitätsfragen, Chabon verbindet und mischt diese Themen hemmungslos. Sein Blick ist zugleich zynisch, schwarzhumorig und liebevoll. Das muss einem erst einmal gelingen! Und wenn dann noch Ureinwohnerrecht auf jüdische Befindlichkeiten trifft, wird die Mischung explosiv…
Es ist beeindruckend, wie mühelos Chabon ein Meer durchquert, das klippenreicher nicht sein könnte. Er überschreitet Grenzen und verteilt seine Spitzen hemmungslos in jede Richtung: seien es geldgierige Stammesregierungen, tiefgläubige Mafiosi, gewinnorientierte Amerikaner oder attentatsbereite Zionisten. Und so ganz nebenbei zeigt dieser Roman auch, dass Menschlichkeit und Fanatismus sich ausschließen. Immer.
Wer also Krimis mag, wer… ach, Unfug! Lest dieses Buch, es ist einfach rundherum großartig!

Krimikomödie

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Immer Ärger mit Harry

Jack Trevor Story

Aus dem Englischen von Miriam Mandelkow

2018 erschienen im Dörlemann Verlag

ISBN 978-3-03820-054-3

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Der November ist nicht gerade mein liebster Monat. Meistens ist es dunkel, nass und kalt, ich mag mich noch nicht vom Sommer trennen und Weihnachten ist zunächst nur ein kleiner Lichtpunkt am Ende des Tunnels. Zu keinem anderen Zeitpunkt des Jahres findet man mich so sicher mit Buch und Tee unter einer Wolldecke.
Aber wenn mir dann in dieser finst’ren Zeit ein Buch wie dieses in die zähneklappernden Finger gerät, kann es passieren, dass der Sommer für einen Tag zurück kommt. „Immer Ärger mit Harry“ ist ein Schätzchen, eine seltene Perle des schwarzen Humors und in der Ausgabe des Dörlemann Verlags innen wie außen perfekt. In weinrotes Leinen gebunden und mit einer Jagdszene auf dem Vorsatzpapier, ist das Buch einfach wunderschön und hat als I-Tüpfelchen sogar ein Lesebändchen. Wer also noch nach Geschenken sucht, möge dieses Büchlein ins Auge fassen.
Der Roman ist ein Klassiker britischer Krimiliteratur. Veröffentlicht 1949, wurde er 1955 von Alfred Hitchcock verfilmt. In meinem Jahrgang und darunter dürfte wirklich noch jeder den Film oder zumindest den Titel kennen.
Harry liegt tot im Wald. Scheinbar wurde er ermordet und nach und nach tauchen diverse Personen auf, die alle Grund zu der Annahme haben, sie hätten Schuld an seinem verfrühten Ableben. Was nun folgt, ist britischer Humor in Perfektion. Genüsslich beschreibt Jack Trevor Story, wer nun mit wem wie versucht die Leiche zu beseitigen, wer sich dabei in die Quere und wer sich näher kommt. Das ist streckenweise einfach herrlich komisch, auf diese alte elegante Art, ohne unter die Gürtellinie zu gehen oder gewollt zu wirken. Ein charmanter, unbeschwerter Lesespass und gleichzeitig ein Glanzstück englischer Kriminalliteratur -perfekt!