Krimikomödie

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Immer Ärger mit Harry

Jack Trevor Story

Aus dem Englischen von Miriam Mandelkow

2018 erschienen im Dörlemann Verlag

ISBN 978-3-03820-054-3

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Der November ist nicht gerade mein liebster Monat. Meistens ist es dunkel, nass und kalt, ich mag mich noch nicht vom Sommer trennen und Weihnachten ist zunächst nur ein kleiner Lichtpunkt am Ende des Tunnels. Zu keinem anderen Zeitpunkt des Jahres findet man mich so sicher mit Buch und Tee unter einer Wolldecke.
Aber wenn mir dann in dieser finst’ren Zeit ein Buch wie dieses in die zähneklappernden Finger gerät, kann es passieren, dass der Sommer für einen Tag zurück kommt. „Immer Ärger mit Harry“ ist ein Schätzchen, eine seltene Perle des schwarzen Humors und in der Ausgabe des Dörlemann Verlags innen wie außen perfekt. In weinrotes Leinen gebunden und mit einer Jagdszene auf dem Vorsatzpapier, ist das Buch einfach wunderschön und hat als I-Tüpfelchen sogar ein Lesebändchen. Wer also noch nach Geschenken sucht, möge dieses Büchlein ins Auge fassen.
Der Roman ist ein Klassiker britischer Krimiliteratur. Veröffentlicht 1949, wurde er 1955 von Alfred Hitchcock verfilmt. In meinem Jahrgang und darunter dürfte wirklich noch jeder den Film oder zumindest den Titel kennen.
Harry liegt tot im Wald. Scheinbar wurde er ermordet und nach und nach tauchen diverse Personen auf, die alle Grund zu der Annahme haben, sie hätten Schuld an seinem verfrühten Ableben. Was nun folgt, ist britischer Humor in Perfektion. Genüsslich beschreibt Jack Trevor Story, wer nun mit wem wie versucht die Leiche zu beseitigen, wer sich dabei in die Quere und wer sich näher kommt. Das ist streckenweise einfach herrlich komisch, auf diese alte elegante Art, ohne unter die Gürtellinie zu gehen oder gewollt zu wirken. Ein charmanter, unbeschwerter Lesespass und gleichzeitig ein Glanzstück englischer Kriminalliteratur -perfekt!

Kiss me, Kate!

Die stoerrische Braut von Anne Tyler

Die störrische Braut

Anne Tyler

Aus dem Englischen von Sabine Schwenk

erschienen als TB 2018 im Penguin Verlag

ISBN 978-3-328-10181-9

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Ein weiterer Band aus dem Hogarth Shakespeare Project hat den Weg zu mir gefunden, und zwar Anne Tylers Version von „Der Widerspenstigen Zähmung“.
Für die, die noch nicht davon gehört haben: acht namhafte Autoren interpretieren innerhalb des Projekts ein Stück Shakespeares neu. So widmet sich beispielsweise Edward St Aubyn König Lear oder Margaret Atwood dem Sturm. Jede Interpretation bisher war auf ihre Art spannend, obwohl sie unterschiedlicher nicht sein könnten.
„Die störrische Braut“ ist dabei sicherlich die heiterste Version eines Shakespeare-Stückes. Das Buch liest sich wie eine luftige Sommerliebesgeschichte mit leicht verschrobenem Personal.

Kate und ihre Schwester Bunny wachsen nach dem Tod ihrer Mutter bei ihrem Vater auf, einem nur in der Arbeit aufgehenden Wissenschaftler. Kate führt den Haushalt, erzieht ihre jüngere Schwester und arbeitet zusätzlich noch in einem Kindergarten. Ihr Leben fließt in den ewig gleichen Bahnen dahin, bis ihr Vater auf die Idee kommt, sie mit seinem russischen Mitarbeiter Pjotr verheiraten zu wollen, weil dessen Visum ausläuft. Im Grunde eine Zumutung, und Kate weigert sich strikt. Dummerweise findet sie Pjotr eigentlich immer anziehender…

Ich muss gestehen, ich kenne keine weiteren Bücher von Anne Tyler, obwohl sie zu den bekanntesten amerikanischen Schriftstellerinnen zählt. In diesem Falle ist ihr eine fröhliche und locker-flockige Umsetzung des Stoffes gelungen, mit diversen Anspielungen auf das Musical „Kiss me, Kate“ von Cole Porter. Ihre Charaktere hat sie liebevoll mit sehr eigenen Zügen ausstaffiert und ihr „Fleischpapp“ wird mir noch lange mit Schaudern in Erinnerung bleiben.
Kate wandelt sich zusehends von der leicht verbiesterten, einsamen Jungfer zur liebenden, fürsorglichen Ehefrau. Das ist vergnüglich zu lesen, aber ist es auch zeitgemäß? Natürlich kann man von einem Shakespeare-Stück keine modernen Ansichten erwarten, und der Komödiencharakter entsteht ja durch die Wandlung der widerspenstigen Katharina, aber die originale Zähmung sieht man meistens in ihrem zeitlichen Kontext. Hier handelt es sich um eine Neuinterpretation und da wäre es sicherlich erlaubt gewesen, jahrhundertealte Wertvorstellungen in Frage zu stellen oder zumindest ironisch zu brechen. In Ansätzen ist das sicherlich vorhanden, wenn zum Beispiel zum Schluß das gleichberechtigt arbeitende Ehepaar gezeigt wird. (Ich denke, ich verrate hier nicht zuviel, das Ende von „Der Widerspenstigen Zähmung“ ist ja schon länger kein Geheimnis mehr.) Aber ich hätte mir davon durchaus mehr gewünscht.
So ist „Die störrische Braut“ eine leichte, in Teilen sogar seichte Liebeskomödie mit wenig Tiefgang geworden, ohne das Original großartig zu hinterfragen. Aber es reicht bei diesem Stück eben nicht, nur das Kleid gegen eine Jeans zu tauschen. Mir zumindest nicht.

Ich danke dem Penguin Verlag herzlich für das zur Verfügung gestellte Rezensionsexemplar.

Weitere Meinungen zu diesem Buch:

BritLitScout https://britlitscout.wordpress.com/2017/08/04/the-hogarth-shakespeare-project-i/
schiefgelesen https://schiefgelesen.net/2017/07/08/shakespeare-the-taming-of-the-shrew-anne-tyler-vinegar-girl/
Literaturlese https://literaturlese.wordpress.com/2017/05/19/anne-tyler-die-stoerrische-braut/
Lillis Buchseite https://lillisbuchseite.wordpress.com/2017/02/01/rezension-zu-die-stoerrische-braut-von-anne-tyler/

Curt Goetz

Wer kennt ihn noch, Curt Goetz, einst einer der besten deutschen Komödienschreiber? Seine Stücke wurden unzählige Male auf Theaterbühnen gespielt und auch verfilmt, u.a. mit Willy Fritsch, Gustav Gründgens, Laurence Olivier, Cary Grant, Elisabeth Flickenschildt, Walter Giller, Dietmar Schönherr… Die Liste ist lang und hochkarätig.

Goetz wird 1888 als Sohn eines Kaufmanns in Binningen, in der Schweiz geboren, wächst allerdings nach dem frühen Tod des Vaters im Heimatort der Mutter, Halle an der Saale, auf. Seine künstlerische Begabung wird gefördert, 1907 hat er sein Bühnendebüt in Rostock. 1911 geht er nach Berlin und beginnt dort, Boulevardtheaterstücke zu schreiben, wenig später auch Drehbücher für Stummfilme.
1923 heiratet er in zweiter Ehe die Schauspielerin Valerie von Mertens, fortan seine „geliebte Ehefrau“. 1939 geht das Paar nach Hollywood, um mehr über das dortige Filmwesen zu lernen, wird vom Zweiten Weltkrieg überrascht und bleibt. Zunächst bei MGM unter Vertrag, gefällt Goetz die amerikanische Filmindustrie wenig. Stattdessen kauft er sich eine Hühnerfarm und beginnt zu züchten.
Nach dem Krieg zieht das Ehepaar in die Schweiz, wo Goetz 1960 verstirbt.

In dieser ganzen Zeit verfasst Goetz diverse Theaterstücke, die Novelle „Tatjana“, den Roman „Die Tote von Beverly Hills“, Drehbücher und seine Memoiren – ein Vielschreiber auf hohem Niveau. Am Bekanntesten sind sicherlich seine Stücke „Das Haus in Montevideo“ über eine fatale Erbschaft und „Dr. med. Hiob Prätorius“ über einen Arzt, der eigene Wege geht.

Goetz‘ Humor ist über der Gürtellinie, dabei aber nicht ohne Tiefgang, sein Stil zu vergleichen mit amerikanischen Screwballkomödien. Die Dialoge sind flüssig, schlagfertig und mit einem Augenzwinkern, das ich bei heutigen Stücken oft vermisse. Auch Goetz wirft bisweilen die berühmte Torte, aber eben nicht im Dauerzustand. Plakative Kalauer sind seine Sache nicht, aber für ein Kichern ist er immer gut.
Vielleicht sind seine Stücke inzwischen tatsächlich ein wenig angestaubt, aber mit ein wenig Pusten und Wedeln entdeckt man echte Juwelen deutschen Boulevardtheaters.

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In meinem Bücherschrank findet sich diese Ausgabe seiner Gesammelten Bühnenwerke, erschienen 1952 in der Verlagsbuchhandlung F.A. Herbig. Es fehlen naturgemäß die nach ’52 geschriebenen Stücke.
Wenn man die Bühnenstücke so nacheinander liest, begleitet man den Autor auch ein wenig in seiner Entwicklung, sieht den Weg, den er vom ersten Stück „Der Lampenschirm“ bis zum bereits erwähnten „Prätorius“ zurückgelegt hat – und stellt fest, dass guter Humor in großen Teilen eben doch kein Alter kennt…

Amüsantes Kammerspiel

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Der Pfau

Isabel Bogdan

erschienen 2016 bei Kiepenheuer und Witsch

ISBN: 978-3-462-04800-1

 

„Einer der Pfauen war verrückt geworden. Vielleicht sah er auch nur schlecht, jedenfalls hielt er mit einem Mal alles, was blau war und glänzte, für Konkurrenz auf dem Heiratsmarkt.“

So beginnt Isabel Bogdans Roman, in dem nachfolgend beschrieben wird, was nämlicher Pfau nun auf dem Anwesen von Lord und Lady McIntosh nahe der schottischen Highlands an Ereignissen in Gang setzt. Mitspieler in diesem Kammerspiel feinster britischer Art sind die bereits oben erwähnten McIntoshs, Ryszard, der „Mann für alles“, die Hausverwalterin Aileen und eine Gästegruppe, bestehend aus Londoner Investmentbankern, die eine Köchin und eine Psychologin im Schlepptau, angereist sind für eine Teambuilding – Maßnahme.

Pointiert und unaufgeregt entwickelt Isabel Bogdan ihre Geschichte, logisch folgt ein Schritt dem nächsten. Von anfänglich leisem Schmunzeln, über verhaltenes Gekicher bis zu schallendem Gelächter führt die Autorin den Leser durch alle Irrungen und Wirrungen, spielt, ohne dabei jemals wirklich bösartig zu werden oder ihre Charaktere bloßzustellen, mit der Schadenfreude des Lesenden. Die Komik entsteht aus der Diskrepanz zwischen dem Wissen des Lesers und dem unterschiedlich gestalteten Teilwissen der einzelnen Personen und ihren, auf eben diesem Scheinwissen beruhenden Taten und Reaktionen.

Ebendiese Personen sind fein gezeichnet, haben eine Vorgeschichte, ein Leben und daraus resultierende Charaktereigenschaften. Sie sind alle liebenswert, diese Charaktere, so unterschiedlich sie auch sein mögen: die pragmatische Lady, die tierliebende Aileen, die resolute Köchin. Sie sind nicht eindimensional nur für ihren Zweck geschaffen worden, sind keine Karikaturen, nur für humoristische Gründe erfunden. Und auch das macht den Charme dieses Buches aus: Personen, in die man sich hineinfühlen kann, deren Entwicklung man verfolgen kann.

Alles in allem ist dieses Buch ein echter Glücksgriff. Eine Autorin, die das Schreiben einer Komödie ernsthaft angegangen ist, die dabei ihren eigenen Stil herausgearbeitet hat, die auf reißerische Aktionen und unglaubliche Wendungen komplett verzichtet hat, die stattdessen auf leisen Humor und präzise Pointen setzt, auf einprägende Charaktere und logische Abläufe und so ein ebenso komisches, wie charmantes Buch geschrieben hat; eine Buchgestaltung, die mit schlicht weißem Cover und leuchtend blauem Pfau wunderbar zur Geschichte passt und sogar bei genauerer Betrachtung englische Gepflogenheiten verrät – was kann man sich mehr wünschen?

Eine Einführung in den schwarzen, britischen Humor, wie man sie besser nicht hätte gestalten können! Kein Wunder, dass allein schon das erste Kapitel den Hamburger Förderpreis für Literatur erhielt. Ich persönlich würde mich freuen, von Isabel Bogdan in den nächsten Jahren noch mehr zu lesen und hoffe sehr, dass sie sich ihren wunderbaren Stil und die Präzision ihres Schreibens für weitere Bücher erhalten kann.