Sommerlektüre

9783455600568

Ein geschenkter Anfang
Lorraine Fouchet
Aus dem Französischen von Sins de Malafosse
erschienen am 17.03.2017 im Atlantik Verlag
ISBN 978-3-455-60056-8

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Eigentlich ist ein verregneter Herbstmorgen der völlig falsche Zeitpunkt, diesen Roman zu besprechen. Eigentlich wäre ein strahlender Sommermorgen viel passender gewesen. Denn für mich ist dieser Roman einer von denen, die nur im Sommer gelesen werden können. Am besten im Urlaub am Strand oder in einem Café an irgendeiner sonnenbeschienenen Promenade.
Lou und Jo und ihre Kinder Sarah und Cyrian lebten glücklich und froh auf einer kleinen Insel an der bretonischen Küste. Doch nun sind die Kinder erwachsen und weggezogen und Lou lebt nicht mehr. Sie hinterläßt Jo jedoch ein Vermächtnis in Form einer Flaschenpost. Er soll ihre Kinder endlich glücklich machen und sein Verhältnis zu ihnen verbessern.
Was folgt, ist ein modernes bretonisches Märchen. Luftig, leicht trotz aller Probleme und sehr französisch. Scheinbar läßt sich mit Liebe, Café und Baguette fast alles kitten. Probleme hat übrigens wirklich jeder, der in diesem Roman eine Rolle spielt. Und selten sind sie alltäglich. Wollte man also einen Kritikpunkt anbringen, so wäre es definitiv die mangelnde Plausibilität der Geschichte. Bisweilen hat die Autorin es wirklich arg übertrieben. Und an einem verregneten Herbsttag hätte mich das vielleicht geärgert.
Im Sommer jedoch hat der Roman alles, was man braucht: Dramatik, Herzschmerz, Meer, Liebe und gutes Essen. Und zaubert dem Leser so ein beschwingtes Lächeln ins Gesicht.
Für mich persönlich kommt dazu, dass ich die Bretagne liebe, die Landschaft, das Meer, die Menschen. Und so war der Roman auch eine Art Kurzreise nach Frankreich. Bezaubernd.

Ich danke meinem Sohn für das zum Muttertag geschenkte Exemplar dieses Buches.

Eine Spurensuche

getimage

Ein gewisser Monsieur Piekielny
François-Henri Désérable
Aus dem Französischen von Sabine Herting
erschienen am 20.Juli 2018 im C.H. Beck Verlag
ISBN 978-3-406-72762-7

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„Wenn du dann bedeutenden Männern begegnest, versprich mir, dass du ihnen sagen wirst: In der Großen Pohulanka Nr. 16 in Wilna lebte ein gewisser Herr Piekielny…“

Dieses Zitat stammt aus dem Roman „Frühes Versprechen“ des französischen Schriftstellers Romain Gary. Es handelt sich dabei um eine weitgehend fiktive Autobiographie des als Roman Kacew 1914 in Vilnius in Litauen geborenen Autors.
Désérable nun schreibt über eine fiktive Spurensuche nach ebendiesem Herrn Piekielny, ausgeführt von einem jungen Mann, der diesem Buch sein Abitur verdankt.
Wer ist nun also dieser mysteriöse Herr Piekielny? Offensichtlich ein Nachbar Garys, aber ein erfundener oder ein realer? Das ist die Ausgangsfrage, und sie führt uns direkt in das jüdische Leben in Vilnius um 1920 herum.
Désérable gelingt es ganz leise und unaufdringlich eine verlorene Welt für kurze Zeit wieder auferstehen zu lassen. Bis 1941 werden in Litauen 80 000 Juden ermordet, etwa 45 000 werden als Zwangsarbeiter in Ghettos verbracht. Die lange und reiche jüdische Kultur Litauens ist damit unwiederbringlich vernichtet.
Doch wie sah es vorher aus? Wie und wo könnte Herr Piekielny gelebt haben? Und wenn er den Holocaust überlebt hätte, wie sähe sein Leben jetzt wohl aus?
Anhand einer Person wird die Geschichte eines Volkes erzählt, eindringlich und kenntnisreich.
Dabei handelt es sich trotz allen Ernstes um ein durchaus leichtfüssiges, mitunter humorvolles Buch.
Auf der Suche nach Herrn Piekielny durchwandern wir auch die Stationen von Romain Garys Leben und Wirken. Ich persönlich mag es sehr, wenn Bücher Türen öffnen in mir noch unbekannte Lesewelten. Gary war mir zwar dem Namen nach nicht unbekannt, aber gelesen habe ich bisher keines seiner Werke.
„Ein gewisser Monsieur Piekielny“ ist laut Klappentext, „eine Hommage an Romain Gary und das Schreiben, an die litauischen Juden und nicht zuletzt an die Nebenfiguren, die Unscheinbaren und Kleinen der Weltliteratur.“ Und treffender hätte man es wahrhaftig nicht formulieren können.

Weitere Besprechungen:

Feiner reiner Buchstoff https://feinerbuchstoff.wordpress.com/2018/08/03/wider-das-vergessen/