Scotland Yard mal anders

Das Labyrinth von London von Benedict Jacka

Das Labyrinth von London

Benedict Jacka

Aus dem Englischen von Michelle Gyo

erschienen 2018 im Blanvalet Verlag

ISBN 978-3-7341-6165-0

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Kennt ihr das Spiel „Scotland Yard“? Dieses Spiel, wo ein paar Polizisten den mysteriösen Mr.X durch London jagen? Bei dem X weiß, wo die Polizisten sind und seine Schritte sorgfältig erwägen kann, während die andere Seite im Dunklen tappt?
Dann wisst ihr in etwa, wie dieses Buch funktioniert.
Nur, dass Mr. X Alex Verus heißt und Hellseher ist. Nicht so einer mit Kristallkugel und blühender Phantasie, nein, ein echter, der die Zukunft in Wahrscheinlichkeitsstränge aufteilen und so Ärger weitestgehend aus dem Weg gehen kann. Das klappt aber nicht immer, sonst gäbe es dieses Buch nicht. Verus hat nämlich etwas, das sowohl weiße wie schwarze Magier haben möchten, ein mächtiges Artefakt, um das ein heißer Kampf entbrennt. Mittendrin der immer zu Scherzen aufgelegte Verus. Außenrum die Stadt London mit ihren unwissenden Normalos, die von dem ganzen Trubel selbstredend auch nichts mitbekommen. Dazwischen ein paar seltsame Gestalten, etwa die maßschneidernde Riesentarantel Arachne.
Das ist grundsätzlich ganz witzig umgesetzt, mit mal mehr mal weniger aufregenden Spannungsbögen. Das Grundmuster ist immer gleich: Magier planen Verus oder seine Begleiter zu töten, Verus sieht die beste Fluchtmöglichkeit voraus, stolpert dabei in den nächsten Ärger, hat aber immer eine passende Behelfslösung im Hinterstübchen. Ganz witzig, wie gesagt, und auch wirklich flüssig geschrieben. Ich habe den Band an einem freien Tag komplett gelesen und hatte durchaus meinen Spass dabei.
Eines hat mich allerdings erheblich gestört, die frappierende Ähnlichkeit mit Ben Aaronovitchs „Die Flüsse von London“. Für andere mag das ein Pluspunkt sein, der Verlag macht z.B. genau damit Werbung im Klappentext, ich dagegen fand den Stil zu deckungsgleich. Derselbe Schauplatz, dieselbe Art, Magie in das Alltagsleben einzubauen, dieselbe Art Humor. „Die Flüsse von London“ erschien erstmalig im November 2011, „Das Labyrinth von London“ im März 2012. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Andererseits wollen ja viele Leser genau das. Reihen, die sich in Stil und Aufmachung ähneln und bei denen man schon so ungefähr weiß, auf was man sich einlässt. Diese Leser werden mit Jackas Roman sehr glücklich werden. Und, zugegeben, unglücklich war ich damit ja auch nicht. Ich habe das Buch gern gelesen. Verus und seine Mitspielerin Luna sind ein sympathisches Gespann, die Geschichte ist hinreichend spannend und war eine willkommene Ablenkung vom Alltag. Und das ist mehr, als man von manch anderem Buch behaupten kann.

Ich danke dem Blanvalet Verlag für das zur Verfügung gestellte Leseexemplar.

Weitere Besprechungen findet ihr hier:

Gassenhauer https://gassenhauer.blog/2018/07/30/das-labyrinth-von-london/
Fhina Basbair https://fhinabasbair.wordpress.com/2018/08/07/das-labyrinth-von-london/
Frau Bluhm liest https://buchszene.de/das-labyrinth-von-london-benedict-jackas-rezension/

Fantasy-Klassiker

BelgariadDie Gefaehrten von David Eddings

Belgariad – Die Gefährten

David Eddings

übersetzt von Irmhild Hübner

erschienen 2018 im Blanvalet Verlag

ISBN 978-3-7341-6166-7

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Der Name „David Eddings“ lässt Jugenderinnerungen wach werden. Als Teenager habe ich seine Fantasy-Epen geradezu verschlungen. Und aus dem Grunde habe ich mir erst vor kurzem seine „Tamuli-Trilogie“ antiquarisch besorgt. Umso erfreuter war ich, als ich entdeckte, dass Blanvalet eine Neuausgabe der mir noch unbekannten Belgariad-Saga plant.
Im ersten Band werden naturgemäß erst einmal die Protagonisten vorgestellt. Garion, Küchenjunge und Neffe der Köchin Pol, wächst elternlos auf einem Gutshof auf. Ruhig fließt sein Leben dahin, unterbrochen nur von den Besuchen des Geschichtenerzählers Meister Wolf. Doch nach einer Reihe merkwürdiger Geschehnisse muss Garion erkennen, dass weder Pol noch Wolf sind, wer sie zu sein scheinen und dass auch seine Herkunft rätselhafter ist, als er vermutete. Schneller als ihm lieb ist, muss er den Gutshof verlassen und sich auf eine gefährliche Reise mit teilweise unbekannten Gefährten begeben.
Wem das bekannt vorkommt, dem sei gesagt, dass Eddings den ersten Band dieser Geschichte 1982 veröffentlichte, d.h. sechs Jahre vor dem Erscheinen des ersten Bandes der Drachenbeinthron-Saga von Tad Williams, in der auch ein Küchenjunge eine Hauptrolle spielt. Vergleichbar sind die Epen aber eigentlich trotzdem nicht. Williams schreibt definitiv deutlich komplexere Bücher. Bei Eddings findet man ruhige, klassische Fantasy. Wer dieser Art Lesestoff nicht so gewogen ist, würde seine Bücher wahrscheinlich als „gute Hausmannskost“ bezeichnen. Wer aber einfach eine Zeit lang in andere Welten abtauchen möchte, wer Abenteuerreisen und unbekannte Völker mag und nicht hinter jedem Baum einen blutigen Kampf benötigt, der dürfte hiermit glücklich werden. Eddings schreibt humorvoll, mit leichter Hand und trotz der vielen unterschiedlichen Charaktere und Orte verständlich und auch ohne großartige Register und Ahnentafeln nachvollziehbar. Nichts davon ist wirklich neu und herausragend, vieles vorhersehbar, aber gerade deswegen stellt sich beim Lesen ein heimeliges Gefühl des Wiedererkennens ein. Man kennt die Abläufe, vermutet recht schnell, wer Garion und Tante Pol wirklich sind und weiß, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit alles gut ausgeht.
Aufgrund des unblutigen Erzählens ist Belgariad ganz sicher auch als Fantasy-Einstieg für Kinder und Jugendliche geeignet, vielleicht ab ca zehn Jahren. Das muss in etwa das Alter gewesen sein, in dem ich angefangen habe, Bücher von Eddings zu lesen.
Ich werde auch die folgenden beiden Bände lesen. In Erinnerung an alte Zeiten und als willkommene Auszeit von meinem derzeit recht unschönen Leben. Wer also einfach nur ein gut lesbares Buch für Ferien- und Strandzeiten sucht oder wem derzeit die Konzentrationsfähigkeit für schwerere Kost fehlt, der dürfte mit dieser Reihe zufrieden sein.

Ich danke dem Blanvalet Verlag für das zur Verfügung gestellte Leseexemplar.

Weitere Rezensionen zu diesem Buch:

Zeilenvorgabe https://zeilenvorgabe.com/2018/07/04/zurueck-nach-faldors-farm/

Nach dem dritten Lesen…

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Die Brautprinzessin

William Goldman

erschienen 1977 bei Ernst Klett, nun Klett-Cotta

ISBN 978-3-608-93871-5

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Dies wird eine traurige Rezension. Ich sage es gleich zu Anfang, damit niemand sich später beschwert, er hätte es nicht gewusst. Dreimal habe ich Goldman’s „Brautprinzessin“ nun über die Jahre gelesen: beim ersten Mal wurde es mir vorgelesen von einem Verehrer, beim zweiten Mal las ich es quasi als Erinnerung zum ersten Mal und erst beim dritten Male las ich für mich allein. Und stolperte. Immer wieder.

Aber zunächst zum Inhalt. Ich bin eigentlich keine Klappentextkopiererin, aber dieser ist so bekannt und berühmt, dass er zitiert werden muss, weil anderenfalls etwas fehlt. Daher : „Worum es geht in diesem Buch? – Fechten. Ringkämpfe. Folter. Gift. Wahre Liebe. Haß. Rache. Riesen. Jäger. Böse Menschen. Gute Menschen. Bildschöne Damen. Schlangen. Spinnen. Wilde Tiere jeder Art und in mannigfaltigster Beschreibung. Schmerzen. Tod. Tapfere Männer. Feige Männer. Bärenstarke Männer. Verfolgungsjagden. Entkommen. Lügen. Wahrheiten. Leidenschaften. Wunder. (…)“

Goldman schrieb „Die Brautprinzessin“ als Buch im Buch. Angeblich soll es sich beim Hauptteil um eine gekürzte Fassung des Buches eines S. Morgensterns handeln, mit einer erklärenden Rahmenhandlung Goldmans. Eine schöne Idee. Wirklich. Das ganze Buch ist überhaupt eine wunderbare Idee, wenn, ja, wenn nicht…

Westley liebt Butterblume, die aber Prinz Humperdinck von Florin heiraten soll. Das ist der berühmte rote Faden, um den herum sich alles verwickelt. Goldman hat eine übersprudelnde Phantasie, fröhlich reiht er Abenteuer an Abenteuer. Das Buch ist die Essenz aller Mantel- und Degen-Filme, aller Märchen, aller Liebesschmonzetten. Und man soll/ muss/ darf es ironisch lesen.

Aber, nun kommt es, das große „aber“: auch mit noch so viel Humor kann ich die Tatsache nicht überlächeln, dass mir Goldman schlicht unsympathisch ist. In seiner Rahmenhandlung folgt Seitenhieb auf Seitenhieb gegen seine fiktive Ehefrau, die nämlich – o Graus! – dünn, intelligent und erfolgreich ist. Was man als wahrhaft weibliche Person ja gar nicht sein kann / darf. Da gefällt ihm das vollbusige Sternchen gleich viel besser, das versucht den vermeintlich erfolgreichen Autor „anzugraben“. Sein pummeliger Sohn ist natürlich zeitgleich nicht der hellste, weil ja „dumm und gefräßig“ so gut zusammen passen, nicht wahr? In diesem Tenor zieht der gute Mann über alles her, was fahrlässigerweise seinen Weg kreuzt.

Und das nicht nur in der Rahmenhandlung. Butterblume hat so viel Energie in ihre atemberaubende Schönheit gesteckt, dass leider keine Gehirnzelle mehr Platz fand in ihrem hübschen Köpfchen. Westley dagegen hat Kraft, Intelligenz und Mut für zwei. Natürlich.Und es reicht auch noch, um zusätzlich zwei hilfreiche Haudegen zu lenken, den dicken und dummen ( hatten wir das nicht schon einmal?), aber starken Fezzik und den versoffenen, rachegeleiteten Meisterschwertkämpfer Inigo.

Wir stolpern also von Klischee zu Klischee. Dass das so gewollt ist, ist mir durchaus klar. Aber ist es denn auch wirklich lustig? Eine ferngesteuerte Barbiepuppe trifft auf einen mittelalterlichen Old Shatterhand, drumherum tummeln sich Ko-Helden und Bösewichter, von denen aber keiner dem Haupthelden so richtig das Wasser reichen kann. Das ist die böse Interpretation.

Ganz so böse muss man es nicht auffassen. Das Buch macht ja durchaus Spass, es ist romantisch, es ist heldenhaft, es ist abenteuerlich. Aber hätte ein Funken von Intelligenz denn wirklich das Gebäude um Butterblume zum Einsturz gebracht?  Muss ein Kind wirklich fett und dumm sein, damit es ungern liest? Welchen Sinn und Nutzen hat es, auf denen herumzuhacken, die sich eh schon begrenzt wehren können? Und welches Vorbild gibt man damit?

Ich bin überkritisch? Ich hänge mich an Details auf? Ich muss das wunderbare Ganze betrachten? Das Buch ist ein Kultroman, das muss doch Gründe haben? Vielleicht. Vielleicht sind wir aber nur schon ausreichend gewöhnt an Texte dieser Art, um die Sticheleien zu überlesen. Vielleicht finden wir ja auch, dass Frauen besser hübsch sind als klug. Und dass fette Kinder nervig sind. Vielleicht…

Mir jedenfalls hat es gehörig die Suppe versalzen. Und ich lasse mich eher humorlos schimpfen, als diese Ansammlung von kleinen Gehässigkeiten unkommentiert zu loben. Auch bei einem von Generationen gefeierten Roman. Gerade da.

 

Gelungener Einstieg in die Reihe

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Artemis Fowl

Eoin Colfer

erschienen 2001 im List Verlag

ISBN 3-471-77251-0

 

2001 erschien der erste Band der Artemis-Fowl-Reihe des irischen Kinder- und Jugendbuchautors Eoin Colfer. Und hat auch über fünfzehn Jahre später nichts von seiner Frische und seinem Witz verloren. Mit sprudelnder Fabulierlust erzählt Colfer die Geschichte des Jungen Artemis, der mit Feengold seine Familie retten möchte und sich dafür mit den Elfen anlegt. Die Elfenwelt ist erfreulicherweise ganz anders gezeichnet als gemeinhin erwartet und auch Artemis hat wenig von einem normalen Zwölfjährigen.

Zum Erscheinungszeitpunkt wurde die Buchreihe als Gegenpol zu Harry Potter bezeichnet. Aber damals wurde fast alles, was Magie enthielt, mit Harry Potter verglichen. In diesem Fall war und ist das völlig unnötig. Colfer hat eine Welt erschaffen, die so überhaupt nichts mit der traditionellen Atmosphäre eines Hogwarts zu tun hat und in der spitze Ohren das Einzige sind, was mit klassischen Elfen vergleichbar ist.

Schon das Cover lässt das erahnen. Dort sieht man nämlich im Boden unter einer lieblichen Landschaft mit Burg eine Stadt mit Gängen und Gebäuden und wenig freundlich aussehenden Bewohnern. Trolle, Zwerge und Elfen haben sich von der Oberwelt zurück gezogen und sich eine technisiert wirkende Lebenswelt im Untergrund geschaffen. Und die verlassen sie eigentlich nur im Notfall. Dass Artemis einen solchen Notfall auslösen wird, liegt in der Natur der Sache. Wie er das macht und was er damit hervorruft, wird hier natürlich nicht berichtet.

Die Charaktere sind für ein actionreiches Buch dieser Art ungewöhnlich gut ausgearbeitet. Artemis, der übrigens durchaus mit Flavia de Luce verwandt sein könnte, ist vielschichtiger als erwartet. Dafür muss man allerdings auch ein wenig zwischen den Zeilen lesen können. Auch der elfische Gegenpart Holly ist nicht nur zart und luftig. Einzig die Trolle sind Trolle und tun, was Trolle gemeinhin so tun. Da sind sich scheinbar alle Schriftsteller einig.

‚Artemis Fowl‘ ist sicherlich kein klassisches Kinderbuch. Auf der Grenze zwischen Kinder- und Jugendbuch würde ich ein Einstiegsalter von etwa elf Jahren empfehlen. Einige Szenen sind doch recht unheimlich, zum Teil auch brutal und ein guter Ausgang ist lange eher ungewiss. Außerdem braucht man schon ein gewisses Technikverständnis, um der Story folgen zu können. Nach oben sind alle Grenzen offen. Colfer schreibt scheinbar nicht speziell für junge Leser, sondern eben für Leser ab einem gewissen Alter. Das merkt man an der Konstruktion der Sätze, an fehlenden Erklärungen, an der Anlage der Charaktere. Und so kann auch ein mittelalter Leser wie ich das Buch flüssig lesen, ohne über erhobene pädagogische Zeigefinger oder sehr kindgerechte Sprache zu stolpern.

Wer also Freude an ungewöhnlichen Ideen, moderner Umsetzung von Märchen und englischen Butlern hat, der möge dieses Buch lesen. Und wird erkennen, dass nichts ist, wie es zunächst erscheint. Ich freue mich nun auf weitere Bände dieser Reihe, die mir zum Erscheinungszeitpunkt irgendwie entgangen ist, trotz damaligem Hype. Aber Bücher sind ja netterweise auch Jahre später noch lesbar. In diesem Fall durchaus ein Vorteil.

Wurzelwerk

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Die Königschroniken Band 1

Ein Reif von Eisen

Stephan M. Rother

erschienen 2017 bei Rowohlt Polaris

ISBN 978-3-499-27356-8

Bestellbar hier .

 

Ein neues Fantasy-Epos also. „Die Königschroniken“, immerhin ein schöner Titel. Untertitel des ersten Bandes: „Ein Reif von Eisen“, der schon angekündigte zweite Band heißt „Ein Reif von Bronze“. Das läßt mich vermuten, das Werk sei auf vier Bände angelegt. Im Grunde macht das ja auch Sinn, will man eine ganze Welt neu erschaffen und dabei Details herausarbeiten. Außerdem sind vier Bände klassisch, zumindest gefühlt.

Dieser erste Band nun ist recht hübsch ausgestattet. Der Titel ist geprägt, ein Eschenmedaillon/-siegel ebenso. Das fühlt sich gut an und sieht auch gut aus. Beim Aufschlagen des Buches finden wir als erstes eine Karte des neu erschaffenen Reiches, sehr schön und praktisch, will man etwaige Reisen oder Grenzverläufe nachverfolgen. Namen wie Westerschild, Ödmark kommen einem bekannt vor, aber man muss ja auch nicht immer das Rad neu erfinden. Der Leuchtturm namens Phoras ließ mich tatsächlich ein wenig schmunzeln.

Der Autor, Stephan M. Rother, ist studierter Historiker und durchaus erfahrener Schriftsteller. Er schreibt hauptsächlich Thriller, da sollte ihm der Umgang mit Spannungsbögen ein leichtes sein. Denkt man.

Und damit sind wir beim eigentlichen Thema, dem Inhalt des Buches. Ich bin was das anbelangt ja eine Freundin der Kurzbeschreibung. Sehr kurz wäre „Die Esche welkt, das Reich wankt“, was ja aber im Grunde für fast jeden Fantasy-Roman so zutrifft. Daher also ein wenig ausführlicher: Im Reich der Esche ( ein Schelm, wem da Yggdrasil, der Weltenbaum der nordischen Sagenwelt in den Sinn käme) kriselt es. Die Blätter beginnen zu welken, ein Machtwechsel steht an. Im Norden, in den Ländern des alten Königreiches Ord sieht es ähnlich aus. Aus wechselnden Perspektiven erhalten wir nun Einblick in die politischen Verhältnisse, Machtströmungen und gesellschaftlichen Gegebenheiten. Das ist mal mehr, mal weniger spannend. Grundsätzlich festzustellen ist, dass Rother seine Welt sehr an unser Mittelalter angelehnt hat. Frauen haben scheinbar, unabhängig davon wie charakterstark sie sind, wenig zu sagen, treten als jungfräuliche Töchter, Prostituierte oder Sklavinnen auf. Fanatische Gläubige, schilderrasselnde Krieger und intrigante Höflinge prägen das Bild. Auch das wiederum ist nicht neu, aber kann ja, wenn man die Versatzstücke entsprechend zusammenbaut durchaus spannend sein. Ist es in Ansätzen auch. Aber eben nur in Ansätzen. Im Grunde haben wir einen reinen Einführungsband vor uns, die Vorgeschichte zur eigentlichen Handlung. Würde ich der Handlung zumindest so wünschen. Mein Eindruck jedenfalls ist, daß das Buch in dem Moment aufhört, wo die Handlung anfängt und zwar mit einem geradezu fiesen Cliffhanger. Als wäre dem Autor bewußt gewesen, dass er schon einen hohen Anreiz bieten muss, damit man auch den nächsten Band erwirbt. Werde ich aber trotzdem nicht. Denn allzu bekannt und beliebig ist mir die Geschichte bis hierhin, wenn auch professionell umgesetzt. Seine Hausaufgaben hat der Schriftsteller und Historiker Rother definitiv gemacht, seine Welt ist stimmig aufgebaut, die Charaktere entsprechen ihrem Umfeld. Allein mir fehlt die Phantasie und der Willen Neues zu erschaffen, statt Altbekanntes zu variieren. Schade.

Neuzeit trifft Mittelalter

Die Chroniken von Windrose 1-322766379_1601565033222599_237383978_o

Barbara Hambly

erschienen 1994 bei Bastei Lübbe

Es gibt Bücher, die mag man jenseits von Stil, Verstand, Sinn oder Schreibkunst. Barbara Hamblys Windrose-Chroniken zählen für mich dazu. Magier trifft auf Computerfachfrau, Mittelalter trifft auf Neuzeit. Es gibt Löcher im Dimensionsgefüge, genannt Abyssus, einen toten Gott, der sich als Physiker aus einer anderen Welt entpuppt, Zaubererränke und – tränke und natürlich Antryk Windrose, Magier, Chaot, leicht verrückt und der Jack Sparrow unter den Zauberkundigen.
Die Story ist hahnebüchen mit diversen Logikbrüchen, mehr oder weniger stereotypen Charakteren und ehrlicherweise ohne all zu viel Sinn oder Verstand.
Und trotzdem… Ohne genau erklären zu können warum, liebe ich die Reihe, lese sie bestimmt schon zum vierten Mal in den letzten zwanzig Jahren und schmunzle immer noch über den drolligen Charme der Hauptperson, über die Eigenarten der anderen Zauberer, Tante Min und ihren Strickkorb, die hochmütige Lady Rosamund oder den gar nicht so mutigen Mirabiliten. Vielleicht ist es ja genau das: ein Ausflug in die unwahrscheinlichste aller Welten, ein Fantasyroman, der sich selbst nicht so schrecklich ernst nimmt und der wirkt, als hätte man die gestrichenen Szenen aus Herr der Ringe, Per Anhalter durch die Galaxis und diversen Scheibenwelt-Romanen durcheinander gemixt und mit einer Prise Trash gewürzt? Im Grunde wird mir das egal sein, wenn in ca fünf Jahren mein Blick im Bücherregal wieder auf diese Reihe trifft und ich merke, es ist mal wieder an der Zeit…