Kochen wie im Pèrigord (1)

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Brunos Kochbuch
Martin Walker
Aus dem Englischen von Michael Windgassen
erschienen am 01.Oktober 2014 im Diogenes Verlag
ISBN 978-3-257-06914-3

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Das Erste, was mir an diesem französischen Kochbuch auffällt, ist das fehlende Apostroph. Wobei es ja nicht wirklich fehlt, sondern großartigerweise einfach nicht da ist. Mit solchen Kleinigkeiten macht man mich glücklich. Zu dem vorhandenen Lesebändchen sag ich jetzt aber nichts…
Fast jeder kennt Martin Walkers Kriminalromane um den Dorfpolizisten Bruno, der essender- und trinkenderweise durch sein Revier streift und das Leben geniesst. Schon häufiger habe ich mich während des Lesens gefragt, wo ich wohl nun dieses oder jenes Rezept her bekomme. Mr. Walker weiß Abhilfe: zufälligerweise ist seine Frau Julia Watson Gourmet-Kolumnistin und was liegt da näher als ein eigenes Bruno-Kochbuch? Eben.
Nun ist dieses Kochbuch aber nicht nur das Anhängsel an eine bekannte Krimireihe, es ist genau genommen viel besser als die Krimis, die ich ehrlicherweise zunehmend unglaubwürdig fand.
Schlägt man das alles andere als schmale Buch auf, erwarten einen zunächst mehrere Seiten großformatiger Landschaftsbilder, ungewöhnlich für ein Kochbuch, aber wunderbar einstimmend auf die Rezepte aus dem Périgord, einem sehr fruchtbaren Landstrich in Frankreich. Die Bebilderung setzt sich fort, passend zu den einzelnen Kapiteln, die mit „Der Angler“, „Der Gemüsebauer“ oder „Der Jäger“ überschrieben sind.
Es folgen klassische Rezepte der schlichten französischen Landküche. „Schlicht“ heißt in diesem Falle nicht „einfach herzustellen“, sondern ohne Überspanntheiten und kulinarisches Tamtam. Meist braucht man nur wenige, aber gute Zutaten und Zeit, viel Zeit. Dies ist definitiv kein Kochbuch für gestresste Großstädter, die Rezepte für schnelle Snacks suchen. Die Soup de Carcasse etwa muss mindestens 90 Minuten köcheln, für Enten-Confit braucht man gar mehrere Tage.
Einige Rezepte sind Geschmackssache, so wird z.B. niemand mich von Lammnierchen überzeugen können oder von Innereien insgesamt, aber speziell die Schmor- und Gemüsegerichte und auch die vielen Desserts und Kuchen sind wirklich ansprechend.
Alles in allem ein ausgesprochen gelungenes Kochbuch, mit einer schönen Mischung aus Rezepten, Bildern und Informationen über das Périgord. Und zusätzlich gibt es für hartgesottene Bruno-Fans zwei Geschichten, in denen Bruno auf seine Art Fälle löst, nicht ohne dabei hervorragend zu tafeln.

It’s teatime!

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Boutique Baking
Peggy Porschen
2013 erschienen in der Edition Fackelträger
antiquarisch erhältlich

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Dieses Buch ist ein Traum in altrosa, mintgrün und apricot. Und es enthält alles, was man braucht, um mich tagelang in der Küche einzusperren. Rezepte für Cupcakes, Plätzchen und Torten aller Art, die mir teilweise nur beim Lesen leichten Angstschweiß auf die Stirn jagen und dass, bevor ich bei den Verzierungen überhaupt angekommen bin. Nein, Boutique Baking ist definitiv kein Buch für Backanfänger. Möchte man wirklich alles eins zu eins nachbacken, braucht man Kuchenformen in unzähligen Größen, eine Zutatenliste in Leporelloform (wer hat schon Glucosesirup im Haus?), Modelierwerkzeug (manchmal hat es Vorteile in einer Töpferei aufgewachsen zu sein, da hat man mit so etwas schon mal hantiert – ich erinnere mich da zB an eine Krippe mit einer langnasigen Maria), Formen für Verzierungen und Blattgold.
Da meine Küche nicht gerade durch ihre Größe besticht, müsste ich vermutlich ein Außenlager anbauen. Daher nutze ich dieses wunderschöne Backbuch hauptsächlich als Ideengeber, blättere verzückt darin herum, und überlege, wie ich ähnliche Effekte einfacher erreichen kann.
Peggy Porschen, gebürtige Dürenerin, gilt als Londons Starbäckerin. Sie führt zwei Cafés, eine Back-Academy, tritt in Talkshows auf und beliefert die Events der High Society. Bekannt ist sie u.a. durch die liebevolle Verzierung ihrer Backwaren.
Ich dagegen habe mir Kochen und Backen selbst beigebracht, brauche bis heute für die meisten Sachen Rezepte und habe, wenn es zu kompliziert wird, plötzlich zwei linke Hände (oder eigentlich zwei rechte, ich bin Linkshänder).
Meine Glasuren werden niemals so gleichmäßig, meine Marzipanrosen könnten auch Kartoffeln sein (nein, ganz so schlimm ist es doch nicht) und die Palmen einer Pyramidentorte, die mein Sohn sich einst zum Geburtstag wünschte, litten unter sichtbarem Wassermangel.
Wer also die mir fehlenden Fähig – und Räumlichkeiten besitzt, der wird mit diesem Teatime-Schatz wahrscheinlich selig, uns anderen bleibt das freudige Herumblättern oder ein Besuch in London.

Skandinavien trifft Britannien

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Marte kocht
Marte Marie Forsberg
Aus dem Englischen von Annegret Hunke-Wormser und Claudia Theiss-Passaro
erschienen am 25.Juni 2019 im Knesebeck Verlag
ISBN 978-3-95728-192-0

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Nachdem ich nun ja endlich eine funktionsfähige Küche habe, meine letzte war knapp vierzig Jahre alt und definitiv gebrechlich, kann ich mich dort so ausleben, wie ich es mir immer schon gewünscht habe. Mein Mann mag klassische Gerichte, jede Komponente in einem eigenen Schüsselchen, ich mag orientalisch-indisch-asiatische Küche, mein Sohn liebt Nudeln in allen Versionen. Zusätzlich jedoch entwickeln wir gerade eine Freude am Experimentieren, am Ausprobieren neuer Rezepte. Irgendwie bodenständig muss es für meine Männer jedoch schon bleiben und da passt Marte Marie Forsbergs Kochbuch ganz wunderbar.
Nach Jahreszeiten sortiert finden sich dort klassisch englische Gerichte wie Yorkshire Pudding oder Toad-in-the-hole, aber auch skandinavische Erbsensuppe oder traditioneller norwegischer Milchreis, eben den Wurzeln der Autorin entsprechend. Gute, möglichst frische Zutaten regionaler Anbieter und Zeit sind die Hauptkomponenten von Marte Marie Forsbergs Rezepten, Husch-husch-Varianten wird man vergebens suchen. I-Tüpfelchen ist ein zusätzliches Kapitel mit Rezepten für den Afternoon Tea.
Das alles ist sehr liebevoll präsentiert, mit stimmungsvollen Bildern und untermalt von Erzählungen aus Marte Maries Leben: wie es sie in ein englisches Cottage verschlagen hat, wie sie in Norwegen groß geworden ist, was für sie im Leben zählt und natürlich auch, warum sie diese Rezepte ausgewählt hat und was sie ihr bedeuten.
Wer aufregende, neue Ideen sucht, dem dürfte der Aufbau zu klassisch sein, die Gerichte nicht außergewöhnlich genug. Für familiäre Wohlfühlküche ist das Buch allerdings perfekt, gerade richtig, um mit der ganzen Familie eine gemeinsame Mahlzeit herzurichten. Kneten, bruzzeln, abschmecken, lachen, diese Rezepte erfüllen die Küche mit Wärme. Und sind es nicht genau diese Momente, an die man sich gerne erinnert?

Weitere Besprechungen:

Becky’s Diner https://beckysdiner.wordpress.com/2019/08/24/rezension-marte-kocht/
Literaturwerkstatt-kreativ https://literaturwerkstattkreativblog.wordpress.com/2019/09/29/marte-kocht-von-marte-marie-forsberg/

Teatime

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Tea and Cake
Illustriert von Emma Block
aus dem Englischen von Lisa Voges
erschienen 2013 im Bassermann Verlag
ISBN 978-3-572-08102-8

 

Ich möchte euch diesen herrlichen Flohmarktsfund nicht vorenthalten, ein Buch mit klassischen Rezepten für den englischen Vier-Uhr-Tee.
Ein wirklich entzückender Band, zum einen, weil er einfach alles enthält, was man für eine Teatime brauchen könnte, plus noch unzählige Vorschläge auf die man selbst nicht gekommen wäre, zum anderen, weil er von Emma Block liebevoll illustriert wurde. Wer hätte gedacht, dass jemand Zwiebeltarteletts so anregend zeichnen kann, dass man am liebsten gleich in die Küche stürzen würde um mindestens ein halbes Dutzend zu produzieren?
Es gibt Tipps zur Teestärke, zur Planung und natürlich Rezepte. Für die obligatorischen Gurkensandwiches, für süße und herzhafte Scones, für Erdbeer-Shortcakes, Baisers, Cupcakes, Macarons und für die Damen und Herren, die ihrem Tee lieber Hochprozentigeres als Milch zufügen.
Da wir ab Herbst tatsächlich nachmittags eine kleine Aufwärmpause mit Tee einlegen, speziell nach der Gartenarbeit oder langen Hundespaziergängen, werde ich mich in den kommenden Monaten fröhlich durch das Buch backen. Und da unsere Tage derzeit recht prall gefüllt sind, wird man mich dann wohl nachts in der Küche finden.
Herzlichen Dank also an die unbekannte Alina, die unverständlicherweise ihr Geburtstagsgeschenk in einer Flohmarktkiste landen ließ und zwar sichtbar unbenutzt. Und einen ebenso herzlichen Gruß an die unbekannten Schenkenden. Das Buch wird nun den verdienten Ehrenplatz im Koch- und Backbuchregal bekommen.
Wer nun auch Interesse hat: ich fürchte „Tea and „Cake“ ist nur noch antiquarisch erhältlich. Im Zentralverzeichnis antiquarischer Bücher wird man allerdings fündig: www.zvab.de

Am Schwarzen Meer

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Schwarzes Meer – Ein Reise- und Kochbuch
Caroline Eden
Aus dem Englischen von Christine Schnappinger
erschienen am 22. April 2019 im Prestel Verlag
ISBN 978-3-7913-8545-7

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Mit diesem Buch ist dem Prestel Verlag ein echtes Gesamtkunstwerk gelungen. Das beginnt schon mit dem wellenförmig bedruckten Einband und dem schwarzen Buchschnitt, zum einen farblich zum Thema passend, zum anderen schlicht elegant. Beim ersten Aufschlagen findet man eine schön gestaltete Karte der Schwarzmeer-Region. Karten machen mich persönlich sehr glücklich. Und noch glücklicher macht es mich, wenn ich auf der Suche danach nicht zum nächsten Atlas rennen muss. Desweiteren gibt im Anhang eine Literaturliste, die weitere Romane, Koch – und Reisebücher empfiehlt. Über den Band verteilt findet man viele großartige Bilder von traditionellen Gerichten, Märkten, Menschen und natürlich vom Meer. Einziger Wermutstropfen für mich ist das fehlende Lesebändchen. Nun ist aber auch nicht jeder so lesebändchenfanatisch wie ich.
„Ein Reise – und Kochbuch“ ist der Untertitel. Und das trifft es auf den Punkt. Caroline Eden, englische Journalistin mit Schwerpunkt ehemalige Sowjetunion und Südasien, reist von Odessa an der Schwarzmeerküste entlang bis nach Trabzon. Dabei durchquert sie die Ukraine, Moldawien, Rumänien, Bulgarien, die Türkei und Georgien. Alle Anrainerstaaten haben eine verwandte Küche, aber mit regionalen und landestypischen Besonderheiten. So ist z. B. die odessanische Küche geprägt von der ehemals großen jüdischen Gemeinde und den vielen intalienischen Zuwanderern, Warna ist eine Salzstadt, und Safranbolu bekannt durch die Safranproduktion. Im Buch finden sich daher Rezepte für Challah genauso wie für Spaghetti mit Fleischbällchen. Und natürlich unzählige Fischgerichte, wie an einem Meer zu erwarten. Caroline Eden achtet dabei sehr auf die Nachkochbarkeit der Rezepte. Allzu ausgefallene Zutaten werden durch möglichst ähnliche Produkte ersetzt.
Neben den Rezepten erfahren wir etwas über die Sehenswürdigkeiten entlang der Route, über Menschen, die dort traditionellen Berufen nachgehen, Fischer, Imker, Köche. Die Ursprünge einiger Gerichte werden erforscht, die Herkunft der Zutaten.
Man kann dieses Kochbuch also tatsächlich lesen. Und stellt fest, dass man sich plötzlich für Gerichte interessiert, die man beim ersten Durchblättern noch abgetan hat. Der Ansatz, Landesgeschichte über Essgewohnheiten zu erklären, ist nicht neu, aber hier besonders charmant umgesetzt.
Ein wirklich wunderschöner Band mit umsetzbaren Rezepten, die auch weniger begabten Hobbyköchen gelingen sollten, und einer Unmenge an Informationen zu Land und Leuten. Großartig!

Weitere Besprechungen:

Magisches Kochen https://magischeskochen.wordpress.com/2019/05/08/caroline-eden-schwarzes-meer/
Cooking Worldtour https://cookingworldtour.wordpress.com/2019/06/18/rezension-schwarzes-meer/