Feiertagskinder
Eduard von Keyserling
erschienen am 30.September 2019 im Manesse Verlag
ISBN 978-3-7175-2498-4
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2018 erschien im Manesse Verlag eine Komplettausgabe der Erzählungen Keyserlings, die mich vollkommen verzaubert hat. So war es natürlich keine Frage, dass ich den 2019 erschienen Band mit späten Romanen auch lesen musste.
Eduard Graf von Keyserling wird im Mai 1855 im baltischen Kurland geboren. Er geht auf ein deutsches Gymnasium und studiert im Anschluss Rechtswissenschaften in Dorpat. Wegen eines Skandals flieht er nach Wien, um dort Philosophie und Kunstgeschichte zu studieren.
Keyserling erkrankt schon in jungen Jahren an Syphilis, was später zu vielerlei körperlicher Gebrechen und Blindheit führt. Von 1895 bis zu seinem Tode 1918 lebt er in einem von seinen unverheirateten Schwestern geführten Haushalt in München.
Die in diesem Band zusammengefassten Romane erfassen die Werke der Jahre 1911-19: Wellen, Abendliche Häuser, Fürstinnen und das posthum erschienene Feiertagskinder.
Allen gemeinsam ist eine abendliche Untergangstimmung, das Wissen, dass mit dem Ersten Weltkrieg eine Ära beendet wird, ein Lebensstil untergeht.
Obwohl baltischer Herkunft beschreibt Keyserling doch das Leben in preussischen Adelshäusern, das Festhalten an sinnlos gewordenen Traditionen, das Warten auf Erlösung, das Erstarren in überkommenen Verhaltensmustern. Still ist es auf den Landgütern, häufig gibt es finanzielle Probleme und das Aufbegehren der Jungen erstickt an der leidensfähigen Duldermiene der Alten. In Keyserlings Romanen kommt der Verfall leise und schleichend, zeigt sich in ungesagt bleibendem, in sachte geschlossenen Türen, in einem unmerklichen Kopfschütteln, im Ablehnen alles Neuen. Unterbrochen wird die Stille höchstens durch einen Pistolenschuß, mit dem ein junger Adliger seinem sinnlos scheinenden, mit Spielschulden verdorbenem Leben ein scheinbar ehrenvolles Ende setzt.
Es ist die Kunst Keyserlings, dieses vermeintlich verstaubte Sujet in feine, schwebende Sätze zu fassen, Sätze von wunderbarer Eleganz und Leichtigkeit, deren Erdenschwere erst im Nachgang deutlich wird. Wie sterbende Schmetterlinge gleiten zarte Frauen durch abendliche Gärten, in ihrer anerzogenen Empfindsamkeit kaum lebensfähig. Überhaupt die Landschaftsbeschreibungen. Wie kein anderer nutzt Keyserling Wälder, Parks und Gärten, um Stimmungsbilder zu erschaffen, arrangiert Stilleben aus Blumen und Früchten, malt Portraits von weißen Sommerkleidern vor blühendem Phlox.
Das ist so großartig zu lesen, dass man sich wirklich fragt, wie es dazu kommen konnte, dass Keyserling heutzutage fast in Vergessenheit gerät? Wo doch der etwas handfestere Fontane mit bisweilen ähnlichem Stil auch weiterhin gelesen wird?
Es bleibt zu hoffen, dass kommentierte Ausgaben wie diese hier, die mit ihrem umfänglichen Anhang Keyserlings Leben und Zeit erfassbar machen, zu einer Wiederentdeckung führen. Meine Bibliothek wäre jedenfalls ohne seine Werke unvollständig.
Ich danke dem Manesse Verlag für das zur Verfügung gestellte Leseexemplar.
Schade, habe kein Exemplar mehr bekommen. Der Literaturbetrieb ist eben keine Bestenauslese, und Keyserlings Brillianz scheint heute zudem vll verdächtig, da Haltung immer wichtiger wird & erlesener Stil mit konservativer Haltung assoziiert wird. Und liest man denn Fontane wirklich noch wegen seines Stils, oder nicht eher wegen Effis tragischen Schicksals?
Keyserling ist übrigens durchaus kein Konservativer, was es wiederum schwer macht, einen konservativ-reaktionären Fankreis aufzubauen, wie es zB um den ebenfalls großen Stilisten Jünger gelingt. Der überspitzten, bildreichen, Emotionalität seiner Erzählungen wohnt immer auch eine gewollte Lächerlichkeit inne. Männer, die sich doch für den Krieg ertüchtigen sollen, ertränken sich reihenweise in mondbeschienenen Tümpeln, Gräfinnen dagegen schießen kurzerhand auf nervige Liebhaber, und wenden sich sogleich wieder bei gemütlichem Geplauder anderem zu. Das ist alles wirklich beeindruckend, sitzt aber auch literarisch zwischen allen Stühlen. Steht unter Kitschverdacht & stößt doch die vor den Kopf, die gern sich in Kitsch flüchten würden.
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Das mag so sein…
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