Was nicht im Baedecker stand

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Das Buch von der Riviera
Erika und Klaus Mann
erschienen am 16.04.2019 im Kindler Verlag
ISBN 978-3-463-40715-9

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Zugegeben, ein Reiseführer von 1931 ist eher etwas für Liebhaber. Auch, wenn er von Erika und Klaus Mann verfasst wurde, den Enfants terribles ihrer Zeit. Denn natürlich sind viele der empfohlenen Hotels, Pensionen und Restaurants inzwischen geschlossen oder anders zu bewerten, den netten Portier des Hotels Beauvau in Marseille gibt es sicherlich gar nicht mehr und insgesamt haben die Zeiten sich unwiderruflich geändert.
Und trotzdem! Trotzdem lohnt es sich, das Buch von der Riviera zu lesen. Zum einen eben tatsächlich, weil die Manns es geschrieben haben und ihr flappsiger, noch in den Zwanzigern verhafteter Stil heutzutage immer noch sehr charmant wirkt, zum anderen, weil dieser Reiseführer mit seinen Insidertipps, den Künstlerörtchen und Casinobeurteilungen ein Tor in eine vergangene Welt öffnet und zum dritten, weil das Büchlein eine immense Reiselust weckt. Ich hätte am liebsten gleich meine Taschen gepackt und den nächsten Flieger gen Nizza bestiegen.
Bevor Erika und Klaus Mann diesen Reiseführer verfassten, hatten sie sich am Theater versucht, Erika Mann hatte Gustav Gründgens geheiratet und sich wieder scheiden lassen, Klaus Mann war von Pamela Wedekind verlassen worden, sie hatten eine schuldenreiche Weltreise hinter sich, die ihr Vater mit dem Geld für seinen Nobelpreis finanzieren musste, waren in Marokko mit Drogen in Kontakt gekommen, führten ein ziemlich atemloses Leben, immer kurz vor dem Absturz. Das Buch von der Riviera wirkt da wie eine Zäsur, wie ein kurzer Moment der Ruhe. Restaurants empfehlen, Strände beschreiben, Fischerdörfer erkunden, Strandpromenaden entlang schlendern, sich einen Moment lang nur mit angenehmen Dingen befassen und dabei auch ein wenig gegen den sehr kulturbeflissenen Baedecker sticheln, es muss den Geschwistern diebischen Spass gemacht haben.
Danach wird ihr Leben und Schreiben immer politischer, sie gründen das Kabarett „Die Pfeffermühle“ und müssen kurze Zeit später ins Exil.
Acht Jahre bleiben nach Erscheinen des Reiseführers, um die Riviera zu genießen. 1939 beginnt der Zweite Weltkrieg, 1940 wird Frankreich besetzt.
Und so dokumentiert dieser Reiseführer ein verlorenes Lebensgefühl, das Ende der Roaring Twenties mit russischen Emigranten, reichen Amerikanerinnen, englischen Lords und Ladies, mondänen Französinnen, mit Glücksspielern, Bel Amis und Künstlern, die von Licht und Landschaft angezogen werden.
„Glückliche Küste! Coast of Pleasure, Cote d’Azur, blaue Küste! Strand des Dolce-far-niente, des Spiels, der Arbeit, der Blumen und der sonnenbeglänzten Promenaden. Wir können nicht alles zeigen, was es an ihr zu sehen gibt. Aber doch etwas. Und nun fangen wir an.“

Ich danke dem Kindler Verlag herzlich für das zur Verfügung gestellte Leseexemplar.

Weitere Besprechungen:

BuchUhu https://buchuhu.wordpress.com/2019/07/23/erika-und-klaus-mann-das-buch-von-der-riviera/

Hinter der Maske

9783608504217

Die sieben Tode der Evelyn Hardcastle
Stuart Turton
Aus dem Englischen von Dorothee Merkel
erschienen am 24. August 2019 im Tropen Verlag
ISBN 978-3-608-50421-7

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„Agatha Christie meets Und täglich grüßt das Murmeltier“, so steht es auf der Buchrückseite. „Ein teuflisch spannender Kriminalroman.“ meint die Times dazu. Entsprechend hoch waren meine Erwartungen an das Debüt des Reisejournalisten Stuart Turton.
Der Inhalt ist kompliziert, so kompliziert, dass eine Kurzbeschreibung schwierig ist, will man nicht zuviel verraten. Und das will ich definitiv nicht, sollen doch meine Nachfolger unter ähnlich vor Spannung abgekauten Fingernägeln leiden wie ich.
Irgendwo im Wald, meilenweit vom nächsten Dorf entfernt, liegt das Anwesen der Hardcastles. Die Familie wohnt dort schon lange nicht mehr. Das Haus ist eine Ruine, bewohnbar gemacht nur für ein Ereignis: einen Maskenball. Auf dem Höhepunkt des Festes begeht die Tochter des Hauses, Evelyn Hardcastle, scheinbar einen Selbstmord. Die Besonderheit: der Tag wiederholt sich so oft in Endlosschleife, bis jemand die tatsächlichen Geschehnisse darlegen kann.
Auf den ersten Blick ein klassischer britischer Landhauskrimi, -ein von der Welt abgeschlossenes Gelände, eine begrenzte Anzahl Gäste, ein durch Kombinationsgabe zu lösendes Vergehen – , erhöht Turton mit dem Zeitschleifendreh die Spannung ins Unendliche. Jeder Tag beginnt anders, die Karten müssen quasi neu gemischt werden, nur das Grundgerüst verläuft gleich. Der Leser hetzt mit dem Autor Beweismittel suchend durch den Text, muss Finten erkennen und um das Leben einiger Ballgäste fürchten, während die Zeit von Seite zu Seite abläuft.
Meine Familie musste zwei Tage mit den Buchdeckeln kommunizieren, weil es mir wirklich extrem schwer gefallen ist, Pausen einzulegen. So bin ich tatsächlich in kürzester Zeit durch die 604 Seiten gerauscht und habe mir dabei mehrfach selbst auf die Finger geklopft, um nicht auf die letzten Seiten zu schauen.
Einziger Wermutstropfen: das Ende mit der abschließenden Auflösung des gesamten Geschehens war mir zu weit hergeholt. Ich hatte mich schon während des Lesens danach gefragt und war dann ein wenig enttäuscht. Aber niemand sollte sich davon nun vom Lesen abhalten lassen! Turton ist es wirklich gelungen, den Whodunit in die Gegenwart zu holen, den Staub abzuklopfen und einen unerwartet großartigen Dreh einzuführen, der es ihm erlaubt, fast jeden Ermittlertypus auftreten zu lassen. Und , aber das ist nur eine Vermutung meinerseits, die auch keineswegs stimmen mag, wir treffen auf alte Bekannte im neuen Kleid: Sherlock Holmes, Nero Wolfe, Philip Marlowe. Da ich nicht alle entschlüsseln konnte, kann das jedoch auch schlicht meine blühende Phantasie sein. Passen würde es allerdings zu diesem ausgeklügelten Werk allemal.
Ein abschließender Tipp: man nehme sich Zeit und Ruhe zum Lesen, nebenher laufen lassen kann man diesen komplexen Roman definitiv nicht.

Ich danke dem Tropen Verlag herzlich für das zur Verfügung gestellte Leseexemplar.

Weitere Besprechungen:

Leselust Andreas Kück https://andreaskueckleselust.com/2019/08/25/rezension-stuart-turton-die-sieben-tode-der-evelyn-hardcastle/

Eine Spurensuche

getimage

Ein gewisser Monsieur Piekielny
François-Henri Désérable
Aus dem Französischen von Sabine Herting
erschienen am 20.Juli 2018 im C.H. Beck Verlag
ISBN 978-3-406-72762-7

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„Wenn du dann bedeutenden Männern begegnest, versprich mir, dass du ihnen sagen wirst: In der Großen Pohulanka Nr. 16 in Wilna lebte ein gewisser Herr Piekielny…“

Dieses Zitat stammt aus dem Roman „Frühes Versprechen“ des französischen Schriftstellers Romain Gary. Es handelt sich dabei um eine weitgehend fiktive Autobiographie des als Roman Kacew 1914 in Vilnius in Litauen geborenen Autors.
Désérable nun schreibt über eine fiktive Spurensuche nach ebendiesem Herrn Piekielny, ausgeführt von einem jungen Mann, der diesem Buch sein Abitur verdankt.
Wer ist nun also dieser mysteriöse Herr Piekielny? Offensichtlich ein Nachbar Garys, aber ein erfundener oder ein realer? Das ist die Ausgangsfrage, und sie führt uns direkt in das jüdische Leben in Vilnius um 1920 herum.
Désérable gelingt es ganz leise und unaufdringlich eine verlorene Welt für kurze Zeit wieder auferstehen zu lassen. Bis 1941 werden in Litauen 80 000 Juden ermordet, etwa 45 000 werden als Zwangsarbeiter in Ghettos verbracht. Die lange und reiche jüdische Kultur Litauens ist damit unwiederbringlich vernichtet.
Doch wie sah es vorher aus? Wie und wo könnte Herr Piekielny gelebt haben? Und wenn er den Holocaust überlebt hätte, wie sähe sein Leben jetzt wohl aus?
Anhand einer Person wird die Geschichte eines Volkes erzählt, eindringlich und kenntnisreich.
Dabei handelt es sich trotz allen Ernstes um ein durchaus leichtfüssiges, mitunter humorvolles Buch.
Auf der Suche nach Herrn Piekielny durchwandern wir auch die Stationen von Romain Garys Leben und Wirken. Ich persönlich mag es sehr, wenn Bücher Türen öffnen in mir noch unbekannte Lesewelten. Gary war mir zwar dem Namen nach nicht unbekannt, aber gelesen habe ich bisher keines seiner Werke.
„Ein gewisser Monsieur Piekielny“ ist laut Klappentext, „eine Hommage an Romain Gary und das Schreiben, an die litauischen Juden und nicht zuletzt an die Nebenfiguren, die Unscheinbaren und Kleinen der Weltliteratur.“ Und treffender hätte man es wahrhaftig nicht formulieren können.

Weitere Besprechungen:

Feiner reiner Buchstoff https://feinerbuchstoff.wordpress.com/2018/08/03/wider-das-vergessen/

Am Schwarzen Meer

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Schwarzes Meer – Ein Reise- und Kochbuch
Caroline Eden
Aus dem Englischen von Christine Schnappinger
erschienen am 22. April 2019 im Prestel Verlag
ISBN 978-3-7913-8545-7

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Mit diesem Buch ist dem Prestel Verlag ein echtes Gesamtkunstwerk gelungen. Das beginnt schon mit dem wellenförmig bedruckten Einband und dem schwarzen Buchschnitt, zum einen farblich zum Thema passend, zum anderen schlicht elegant. Beim ersten Aufschlagen findet man eine schön gestaltete Karte der Schwarzmeer-Region. Karten machen mich persönlich sehr glücklich. Und noch glücklicher macht es mich, wenn ich auf der Suche danach nicht zum nächsten Atlas rennen muss. Desweiteren gibt im Anhang eine Literaturliste, die weitere Romane, Koch – und Reisebücher empfiehlt. Über den Band verteilt findet man viele großartige Bilder von traditionellen Gerichten, Märkten, Menschen und natürlich vom Meer. Einziger Wermutstropfen für mich ist das fehlende Lesebändchen. Nun ist aber auch nicht jeder so lesebändchenfanatisch wie ich.
„Ein Reise – und Kochbuch“ ist der Untertitel. Und das trifft es auf den Punkt. Caroline Eden, englische Journalistin mit Schwerpunkt ehemalige Sowjetunion und Südasien, reist von Odessa an der Schwarzmeerküste entlang bis nach Trabzon. Dabei durchquert sie die Ukraine, Moldawien, Rumänien, Bulgarien, die Türkei und Georgien. Alle Anrainerstaaten haben eine verwandte Küche, aber mit regionalen und landestypischen Besonderheiten. So ist z. B. die odessanische Küche geprägt von der ehemals großen jüdischen Gemeinde und den vielen intalienischen Zuwanderern, Warna ist eine Salzstadt, und Safranbolu bekannt durch die Safranproduktion. Im Buch finden sich daher Rezepte für Challah genauso wie für Spaghetti mit Fleischbällchen. Und natürlich unzählige Fischgerichte, wie an einem Meer zu erwarten. Caroline Eden achtet dabei sehr auf die Nachkochbarkeit der Rezepte. Allzu ausgefallene Zutaten werden durch möglichst ähnliche Produkte ersetzt.
Neben den Rezepten erfahren wir etwas über die Sehenswürdigkeiten entlang der Route, über Menschen, die dort traditionellen Berufen nachgehen, Fischer, Imker, Köche. Die Ursprünge einiger Gerichte werden erforscht, die Herkunft der Zutaten.
Man kann dieses Kochbuch also tatsächlich lesen. Und stellt fest, dass man sich plötzlich für Gerichte interessiert, die man beim ersten Durchblättern noch abgetan hat. Der Ansatz, Landesgeschichte über Essgewohnheiten zu erklären, ist nicht neu, aber hier besonders charmant umgesetzt.
Ein wirklich wunderschöner Band mit umsetzbaren Rezepten, die auch weniger begabten Hobbyköchen gelingen sollten, und einer Unmenge an Informationen zu Land und Leuten. Großartig!

Weitere Besprechungen:

Magisches Kochen https://magischeskochen.wordpress.com/2019/05/08/caroline-eden-schwarzes-meer/
Cooking Worldtour https://cookingworldtour.wordpress.com/2019/06/18/rezension-schwarzes-meer/

Landhaus-Krimi

9783608963922

Dreizehn Gäste
J. Jefferson Farjeon
Aus dem Englischen von Eike Schönfeld
erschienen am 23. März 2019 im Klett-Cotta Verlag
ISBN 978-3-608-96392-2

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Ein verregneter Sonntag, keinerlei Verpflichtungen, der Regen prasselt gegen die Scheiben, auf der Couch mit Wolldecke, der Tee dampft, links ein Hund und rechts ein Hund, in der Hand ein klassischer britischer Krimi- das kommt dem Paradies schon recht nahe…
Und darum freut es mich ganz außerordentlich, dass der Klett-Cotta Verlag seit geraumer Zeit wunderschöne leinengebundene britische Krimis veröffentlicht, von mal mehr mal weniger bekannten Autoren.
Diesmal handelt es sich um einen Landhaus-Krimi von J. Jefferson Farjeon, erstmals erschienen 1936. Farjeon war ursprünglich kein Unbekannter in der Krimiwelt, eines seiner Bücher wurde sogar von Hitchcock verfilmt, ist aber inzwischen weitgehend in Vergessenheit geraten. Seine Plots sind oft recht verwickelt, ein klitzekleines bißchen zu konstruiert und die Charaktere dadurch ein wenig blass. Das wird aber aufgehoben durch den Spannungsbogen und die überraschenden Auflösungen.
So auch diesmal. „Dreizehn Gäste“ ist wie ein Ausflug nach Downton Abbey mit Mord zum Dinner. Wir befinden uns auf Bragley Court, dem Anwesen Lord Avelings. Selbiger hat zwölf Gäste zu einer Party eingeladen, durch einen Zufall werden es dreizehn. Eine Unglückszahl! Prompt kommt kurze Zeit später ein Gast ums Leben.
Der Ablauf ist ganz klassisch: als Mörder in Frage kommen nur Hausbewohner, Gäste und Personal. Der Gärtner ist es nicht, so viel verrate ich gerne. Aber gut behütet auf dem Sofa ist es ein Genuss, den Mörder mit zu entlarven, zumal auf detailgetreue Schilderungen etwaiger Verletzungen verzichtet wird. Für mich ist genau das auch der Reiz an diesen Romanen. Es ist mehr eine literarische Form von Sudoku, verlockt zum Kombinieren und Mitraten, und weniger Gemetzel mit ein bißchen Handlung dazwischen.
Wer sich also für derartige Lektüre ähnlich begeistern kann wie ich, der möge einen Blick zu Klett-Cotta werfen und wird dort bestimmt fündig.

Weitere Besprechungen:

KrimiLese https://krimilese.wordpress.com/2019/07/26/j-jefferson-farjeon-dreizehn-gaeste/
Andreas Kück https://andreaskueckleselust.com/2019/04/17/rezension-j-jefferson-farjeon-dreizehn-gaeste/
Buchkenner https://buchkenner.wordpress.com/2019/04/27/dreizehn-gaeste-j-jefferson-farjeon/

The Honourable Miss Fisher

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Tod am Strand
Kerry Greenwood
Aus dem australischen Englisch von Regina Rawlinson
erschienen am 13.Mai 2019 im Insel Verlag
ISBN 978-3-458-36405-4

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Ich bekenne es freimütig: ja, auch ich bin Miss Fisher-Fan. Ich habe sämtliche Staffeln der Serie gesehen und geliebt. Und es hat mich geärgert, dass die Buchreihe auf der die Serie beruht, allenfalls antiquarisch erhältlich war. Nun hat der Fischer Verlag einen Band der Reihe veröffentlicht. Nicht den ersten, nein, irgendeinen und ob weitere folgen, steht in den Sternen. Ich muss gestehen, dass mich das arg irritiert.
Aber nun zum Roman. Eine Blumenparade mit Miss Fisher als Blumenkönigin steht an, als eines der Blumenmädchen halbtot am Strand aufgefunden wird und Adoptivtochter Ruth spurlos verschwindet. Natürlich beginnt Phryne Fisher sofort zu ermitteln…
Dies ist tatsächlich einer der seltenen Fälle, in denen die Verfilmung besser ist als die Vorlage. Was im Film keck und spritzig daher kommt, ist im Buch doch eher betulich und altbekannt. Die spannungsgeladene Verbindung zu Inspector Jack Robinson, die in der Serie großen Raum einnimmt, ist im Buch eher nebensächlich als erotisch, dafür hält sich Phryne einen asiatischen Liebhaber nebst Ehefrau. Tatsächlich liest sich der Roman ganz nett und ist im Urlaub oder nach stressigen Arbeitstagen eine hübsche, aber seichte Ablenkung, mehr jedoch nicht. Ein Hoch auf die Serienmacher, die diese australische Miss Marple in die energiegeladene und glamouröse Miss Fisher verwandelt und damit die Serie so großartig gemacht haben!
2020 soll übrigens ein Miss Fisher-Film in die Kinos kommen, der Phryne wohl in die Kronkolonie Indien schicken wird. Ich bin gespannt.
Was nun den Verlag geritten hat, einen wahllosen Einzelband zu veröffentlichen, bleibt geheimnisvoll. Das nun wiederum passt aber irgendwie zum Titel der Reihe „Miss Fishers mysteriöse Mordfälle“. Vielleicht sind bei dem Blumenfest ja auch die Vorgängerbände verschollen…

Beat Generation

Martini fuer drei von Suzanne Rindell

Martini für drei
Suzanne Rindell
Aus dem Amerikanischen von Ute Brammertz
erschienen am 13.Mai 2019 im btb-Verlag
ISBN 978-3-442-71568-8

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1958, New York, Greenwich Village. Eine junge Generation mit großen Träumen diskutiert in den Clubs und Cafés über Literatur, Musik, Kunst und Kultur, Gott und die Welt. Sie sind im Aufbruch, bereit die Welt zu ändern, denkenredenhandeln schnell, im Rhythmus des Bebop.
Eden ist aus der Provinz nach New York gekommen. Sie möchte Lektorin werden. Ihr Job als Sekretärin bei einem großen Verlagshaus scheint der rechte Einstieg zu sein.
Cliff dagegen, Sohn eines bekannten Verlegers, sieht sich schon als Bestseller-Autor. Wenn nur das leidige Schreiben nicht wäre…
Miles forscht nach den Spuren seines Vaters in den Weltkriegen. Gleichzeitig arbeitet er zielstrebig daraufhin, Schriftsteller zu werden.
Suzanne Rindell folgt den Dreien auf ihrem Weg durch New York. Wir lesen, wie Cliff nach und nach Alkohol und Größenwahn verfällt, welche Probleme Miles aufgrund von Herkunft und Hautfarbe zu bewältigen hat, wie schwer es für Eden ist, als Frau im Verlagswesen einen Fuss in die Tür zu bekommen. Geschickt werden die drei Lebenswege verknüpft und gleichzeitig ein lebendiger Einblick in das bunte Treiben der Beat Generation gegeben.
Ein gut recherchierter, durchaus spannender Roman, der sich fast ausschließlich mit der Buchszene beschäftigt. Mit Schreibblockaden, Verlegerfreud‘ und Lektorenleid, mit Verlagsparties und der Suche nach dem nächsten Bestseller. Der ideale Sommerferienroman für Menschen wie mich also. Gute Unterhaltung auf sehr gutem Niveau.
Grund genug, auch Rindells bekanntestes Buch lesen zu wollen: „Die Frau an der Schreibmaschine“, über Singlefrauen in den Zwanziger Jahren. Und natürlich vor allem ein Anstoß sich mit den Autoren der Beat Generation zu beschäftigen, Jack Kerouac, Allen Ginsberg, William S. Burroughs, um nur die bekanntesten zu nennen.

Ich danke dem btb Verlag herzlich für das zur Verfügung gestellte Leseexemplar.

Weitere Besprechungen:

reisswolfblog https://reisswolfblog.wordpress.com/2019/07/23/martini-fuer-drei-von-suzanne-rindell/

Herman Melville

Meistererzählungen
Billy Budd

Herman Melville
Aus dem Amerikanischen von Richard Moering und Günther Steinig
erschienen am 26.Juni 2019 im Diogenes Verlag
Billy Budd ISBN 978-3-257-24490-8
Meistererzählungen ISBN 978-3-257-24496-0

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Am 01. August 2019 wäre Herman Melville 200 Jahre alt geworden. Ein Anlass für mich, ihn neu zu entdecken. Mit etwa vierzehn Jahren habe ich seinen weltberühmten Roman „Moby Dick“ gelesen, damals ein eher traumatisches Leseerlebnis.
Diesmal habe ich mich für Melvilles Erzählungen entschieden, zu denen auch „Billy Budd“ gehört. Ein vorsichtiger Einstieg also, die Romane haben gerne ihre 800 Seiten.

Als drittes von acht Kindern wird Melville am 01. August 1819 in eine verarmende großbürgerliche Familie geboren. Der Vater versucht den Lebensstandard zu erhalten, verschuldet sich dabei jedoch hoffnungslos. Nach seinem frühen Tod versucht Melvlle sich mit allerhand Jobs über Wasser zu halten. Mit 21 Jahren heuert er auf einem Walfänger an, flieht aber beim ersten Zwischenhalt. Die nun folgenden recht abenteuerlichen Jahre führen zu Melvilles erstem Roman 1846 „Typee“. Weitere Werke folgen.
Melvilles Arbeit ist in weiten Teilen, nun, „maritim angehaucht“, man sollte ihn jedoch keineswegs darauf reduzieren. Vier der hier vorliegenden Erzählungen haben mich besonders angesprochen: Billy Budd, Benito Cereno, Bartleby und Der Glockenturm.
In „Billy Budd“ geht es um einen jungen Seemann, der nach einem scheinbaren Mord im Affekt zum Tode verurteilt wird. Die drohende ausbrechende Meuterei verhindert er noch selbst durch seinen letzten Ausspruch. Das Ganze hat mich sehr an die Hornblower-Romane erinnert: strenges, aber gerechtes Reglement auf englischen Kriegsschiffen etc. Ich muss gestehen, es war weniger der Inhalt als vielmehr die Umsetzung, die mich begeistert hat. Der Schreibstil entwickelt definitiv einen eigenen Sog, während der Inhalt mich recht kalt liess. Das liegt aber daran, dass diese ganze „ein Menschenleben für die Disziplin“-Geschichte, die ja oft Inhalt von Kriegsromanen ist, mir immer schon unverständlich war und ist.
Anders dagegen „Benito Cereno“. Der Befehlshaber eines Robbenfängers entdeckt ein gekentertes Sklavenschiff und leitet die Rettung ein. Melville gelingt es durchgängig, eine unterschwellig bedrohliche Stimmung aufzubauen. Der Leser erkennt recht früh, dass etwas nicht stimmt und ahnt auch, was es sein könnte, während der Protagonist im Dunkeln tappt. Nach heutigem Denken ist allerdings die Beschreibung der Sklaven sehr fragwürdig, 1855 dachte man da definitiv anders.
„Bartleby“ hat weitestgehend die Wallstreet als Schauplatz und ist einfach großartige Literatur. Bartleby, der namensgebende Protagonist, beginnt als Gerichtsschreiber in einer Kanzlei. Er ist unauffällig bis zu dem Tag, wo er eine Bitte mit „Ich möchte lieber nicht.“ beantwortet. Die sich daraus entwickelnde Geschichte ist surreal, kafkaesk (lange vor Kafka) und perfekt umgesetzt – ein echtes Juwel.
„Der Glockenturm“ handelt vom Bau eines ebensolchen Turmes, dem Guss der Glocke und einem dämonischen Baumeister. E.T.A. Hoffmann hätte das Thema nicht besser umsetzen können. Sein Coppelius hätte sich auf diesem Glockenturm recht wohl gefühlt.

Es war definitiv sinnvoll, Melville erneut zu lesen. Sein Schreibstil, sein Sprachfluss haben mich begeistert, wenn auch eher bei den weniger meerlastigen Werken. Als nächstes werde ich wohl „Mardi“ lesen,  eine literarische Umsetzung seiner Erlebnisse nach der Flucht von dem Walfänger und Verbindungsglied zwischen „Typee“ und „Moby Dick“.

Ich danke dem Diogenes Verlag herzlich für die zur Verfügung gestellten Leseexemplare.

„Im Frühling liebe ich die Morgendämmerung“

Kopfkissenbuch von Sei Shonagon

Kopfkissenbuch
Sei Shonagon
Aus dem Japanischen von Michael Stein
erschienen am 15.April 2019 im Manesse Verlag
ISBN 978-3-7175-2488-5

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Sei Shonagon erblickt um 966 in Japan das Licht der Welt, als Tochter eines Provinzstatthalters. Sie erhält schon früh Zugang zu Literatur und Lyrik, ihr Vater ist ein anerkannter Experte für Dichtkunst. Das ist ungewöhnlich für ein Mädchen, aber es wird von einem sehr engen Verhältnis zwischen Vater und Tochter berichtet.
Etwa um 990 tritt Shonagon in den Dienst als Zofe der Kaiserin Sadako, dort beginnt sie ihr Kopfkissenbuch zu schreiben, eine Art Tagebuch. Sie berichtet über Hofklatsch und Intrigen, über Feste, ihr Verhältnis zur Kaiserin, über Vorlieben und Abneigungen.
Dem Manesse Verlag ist es zu verdanken, dass dieses Tagebuch nun erstmals vollständig übersetzt vorliegt. Nachwort, Personenverzeichnis und Anmerkungen komplettieren diese sorgfältig gestaltete Ausgabe, die es dem Leser ermöglicht seinen Blick eintausend Jahre zurück zu senden, an den japanischen Kaiserhof der Heian-Zeit. Shonagons Betrachtungen sind erstaunlich wenig gealtert, elegant formuliert und zeigen einen intelligenten und klaren Blick auf ihr Umfeld. Ihre Beschreibungen des Hofzeremoniells oder diverser Festlichkeiten sind lebendig und farbenfroh, ihre Charakterisierungen hochrangiger Persönlichkeiten sind zumeist überaus scharfzüngig und pointiert. Es ist ein wahres Lesevergnügen, Shonagon in ihre Welt zu folgen. Beeindruckend ist ihr Blick für Stimmungen, Natur oder Schönheit im Alltag. Die Kehrseite ist die Verachtung alles Häßlichen und Ärmlichen, ein typisches Verhalten privilegierter Menschen ihrer Zeit.
Besonders hervorzuheben ist an dieser Übersetzung das Fehlen jeglichen Japankitschs. Die Sprache ist poetisch und präzise, ohne falsche Überzuckerungen oder schwülstige Formulierungen. Daher ist es nur angemessen, Michael Stein für diese wunderbar feinfühlige Ausgabe zu danken, die einen Klassiker japanischer Literatur zu neuem Leben erweckt hat.

Ich danke dem Manesse Verlag herzlich für das zur Verfügung gestellte Leseexemplar.

Amerikanischer Klassiker

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Grashalme
Walt Whitman
Nachdichtung von Hans Reisiger
erschienen am 24.April 2019 im Diogenes Verlag
ISBN 978-3-257-24497-7

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Ungefähr drei Monate lang lag dieser Band auf meinem Nachttisch, stückchenweise habe ich mich vorwärts gearbeitet. Damit habe ich nicht gerechnet, wirklich nicht. Ich habe still für mich zu lesen begonnen, dann beschlossen, diese Texte müssten laut gelesen werden, dann gemerkt, dass meine Stimme nicht klangvoll genug ist, also zurück zum stillen Lesen, dann bin ich doch wieder deklamierend durch das Zimmer gerannt… kurz, ich habe mich wirklich abgearbeitet und mir alle Mühe gegeben den Funken zu entzünden. Schließlich handelt es sich hier um einen der größten Klassiker der amerikanischen Literatur, geliebt von unzähligen Lesern. Von mir nicht, fürchte ich. Das macht mich nervös. Denn tatsächlich stellt sich ja ein Gefühl des Ungebildetseins fast augenblicklich ein, wenn ein seit Jahrzehnten gelobtes Buch, gar ein Meilenstein der Literatur, mich nicht berührt. Wobei das so komplett eigentlich gar nicht stimmt. Es hat mich fasziniert, wie weltoffen und vorurteilsfrei Whitman geschrieben hat. Ungewöhnlich für die Zeit und weit weg vom heutigen Amerika. Man fragt sich unwillkürlich, was Whitman, ein Verehrer Abraham Lincolns, wohl zu Trump und Konsorten zu sagen hätte, er, der von einem freien und stolzen Amerika träumte, frei von der Verstaubtheit Europas, mit Platz für die Träume eines jeden Menschen.
Hymnisch sind viele der Texte, dazu gemacht, laut verkündet zu werden, wenn nur nicht die Aufzählungen wären, für mich das hervorstechendste Stilmerkmal, andererseits ja typisch für Mythenschreibung. Dort stört es mich selten, hier dagegen schon. Warum? Wenn ich das wüßte.
Egal, wie lange ich Für und Wider erwäge, feststelle, daß mir „Grashalme“ aufgrund der Thematik, der Einstellung und der Schönheit der Sprache doch gefallen hätte haben müssen und obwohl ich mir den Zugang zu den Texten nahezu erzwingen wollte, es hat nicht funktioniert. Das zuzugeben fällt mir schwer, ich habe Grenzen schon immer nur ungern akzeptiert. Aber so ist es nun: ich kann leider keine aussagekräftige Besprechung schreiben, weil mir der Zugang zu den Texten fehlte.

Ich danke dem Diogenes Verlag für das zur Verfügung gestellte Leseexemplar.