Pater Brown Stories
G. K. Chesterton
alle 2004 erschienen im Diogenes Verlag
Ich verbinde Pater Brown immer augenblicklich mit dem Schauspieler Heinz Rühmann, der die Figur in einigen possierlichen Filmchen verkörpert hat, die ich als Kind geliebt habe. Schlecht gewählt war die Besetzung, folgt man Chestertons Beschreibung, ganz sicher nicht, entspricht aber trotzdem nicht dem Geist der Geschichten.
Pater Brown, ein kleiner Mann mit großem Intellekt, sehr wendig, gütig, aber mit unverrückbaren Ansichten, sehr gläubig natürlich, aber ohne andere damit zu belästigen. Dieser ruhige, unauffällige Mann also kann um zig Ecken denken, bleibt an Lösungswillen und Findigkeit sicher nicht hinter Miss Marple oder Hercule Poirot zurück und löst so die kniffeligsten Kriminalfälle mit einem sanften Lächeln.
Gilbert Keith Chesterton war selbst der katholischen Kirche sehr verbunden, was man den Stories natürlich durchaus anmerkt. Gleichzeitig ist er aber ein Meister darin, sich die ungewöhnlichsten Szenarios auszudenken, von Diebstahl bis zu Mord. Pater Brown lässt er dann von den Indizien auf das Wesen des Täters schließen, d.h. Brown versucht die Denkweise des Täters zu verstehen, um größeres Unglück zu vermeiden. Ihm zur Seite steht häufig ein geläuterter Dieb, der nun als Detektiv arbeitet, ein Mann fürs Grobe, wenn benötigt.
Die Kurzgeschichten sind alle ein wenig betulich, aber niemals unspannend zu lesen. Immer wird wert auf Stil und Raffinesse gelegt, Blut fließt eher nebenbei. Die Lektüre eignet sich also hervorragend für Zugfahrten, Caféhausbesuche etc, ist aber sicherlich eher für Leser interessant, die Freude an altmodischen Winkelzügen und Konstellationen haben und zur Unterhaltung nicht sieben Leichen pro Seite benötigen. Ich mag die Stories sehr, weil sie zum einen so herrlich britisch sind und weil zum anderen Chesterton weit besser schreiben konnte als so mancher preisgekrönte Autor.
Vor geraumer Zeit habe ich mit Richter Di und Bruder Cadfael zwei weitere zu Unrecht fast vergessene Krimicharaktere beschrieben, da reiht sich Father Brown ganz wunderbar mit ein. Ein Hoch auf die Autoren, die ihre Reihen mit soviel Wortwitz, Charme und Intelligenz geschrieben haben, dass man auch heute noch jeden Band mit Vergnügen liest.
Gerade der augenscheinliche Trend dahin, dass die Leserschaft in bestimmten Literaturgenres heutzutage „sieben Leichen pro Seite“ braucht, lässt mich mittlerweile große Teile der Thriller, sowie in Teilen auch Krimis, meiden.
Ich mag dagegen „altmodische Winkelzüge“ und war schon immer auf der Suche nach etwas, dass meine unerklärlicherweise verschwundenen Agatha-Christie-Bücher ersetzen könnte, die ich in den 90ern in großer Zahl angeschafft habe, die aber irgendwie mittlerweile ins literarische Nirwana diffundiert sind. 🙂
Und eigentlich hätte ich da auch eher drauf kommen können, denn die Serie „Father Brown“ ist mir durchaus bekannt, ich wusste nur – wie ich beschämt zugeben muss – nicht, dass diese lose auf einer literarischen Vorlage basiert. Aber hey, man lernt nie aus. Deshalb: Vielen Dank für die Anregung!
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Oh, das freut mich! Und Chesterton ist stilistisch eher besser als Christie. Bei Christie dagegen gefällt mir der Aufbau meist mehr. Klett Cotta bringt übrigens eine Serie der klassischen britischen Krimis heraus, die ich wirklich gelungen finde. Und die Nero Wolfe -Bände, die auch auf einen denkfähigen Ermittler setzen.
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Gut zu wissen, nochmals vielen Dank.
Traditionell sind bei mir eher Herbst und Winter Krimi-Zeit, aber es schadet ja nichts, das entsprechende Angebot bei Klett Cotta schon mal nach lesenswerten Whodunit-Krimis zu durchforsten. 🙂
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