Pferde

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Pferde
Jenny Friedrich-Freksa
erschienen am 18.Februar 2019 im Verlag Hanser Berlin
ISBN 978-3-446-26205-8

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Pferde. Ein Buch über Pferde. Keine Geschichte für Teenager über die große Ponyliebe oder ein Fachbuch für Reitfreunde, nein, ein Buch für Erwachsene mit Essays über alle Aspekte des Zusammenlebens mit diesen wunderbaren Geschöpfen.
Jenny Friedrich-Freksa ist mit Pferden aufgewachsen, quasi im Sattel groß geworden. Und nun schreibt sie ebenso kluge wie feinfühlige Texte zu Themen wie „Das Wesen der Pferde“, „Vertrauen“ und vor allem „Warum Pferde?“ Sie erkundet z.B.den Wechsel vom fast reinen Männerfeld zu einer Frauendomäne, ein Wechsel, der übrigens so ausgeprägt ist, dass mein Sohn immer wieder irritiert angeschaut wird, wenn er sagt, dass er reitet. Dabei berichtet sie immer wieder von eigenen Erfahrungen und auch Ängsten, von schönen und schwierigen Momenten.
Herausgekommen ist ein sehr persönliches Buch über die Jahrtausende alte Beziehung zwischen Mensch und Pferd, aber auch über die Verantwortung, die wir gegenüber einem so langjährigen Begleiter und Freund haben, auch wenn oder gerade weil der praktische Nutzen weitgehend verloren gegangen ist. Wir haben Pferde durch Autos oder Mähdrescher ersetzt, durch Panzer und andere Maschinen. Aber sie sind eben noch da, leben und haben Bedürfnisse, die wir zu achten haben.
Außerdem, und auch darüber schreibt die Autorin, können wir zu kaum einem anderen Tier eine so innige Verbindung aufbauen, Vertrauen gegen Vertrauen, eine Verbindung, die erdet und gleichzeitig Flügel verleiht.
Illustriert ist dieser großartige Band mit wunderbaren Zeichnungen von Katharina Grossmann-Hensel, die die einzelnen Themen elegant begleiten.
Ein wirklich rundum gelungenes Buch, auch für Nichtreiter lesenswert.

 

Lebensentwürfe

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Ich und meine Mutter
Vivian Gornick
Aus dem Englischen von pociao
erschienen am 15.April 2019 im Penguin Verlag
ISBN 978-3-328-60030-5

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Ein wichtiger Teil der Selbstfindung ist es, sich über die eigenen Möglichkeiten klar zu werden, Lebenswünsche benennen zu können und sie auch umsetzen zu dürfen. Das ist Frauen noch gar nicht so lange möglich. Vieles, was uns heute selbstverständlich erscheint, musste mühsam errungen werden. Und damit wir das nicht vergessen, ist es wichtig, sich zu erinnern bzw die Erinnerungen anderer wahrzunehmen.
Vivian Gornick wurde 1935 in New York geboren. Sie ist gut in der Schule, ein Studium wird ihr ermöglicht, beileibe keine Selbstverständlichkeit in den 50iger Jahren des letzten Jahrhunderts, sie wird Journalistin und Frauenrechtlerin.
Ihre Eltern sind jüdische Einwanderer, der Vater stirbt früh, die Mutter setzt ihr Bestreben darein, eine perfekte Hausfrau zu sein. Sie ist selbstgerecht und tyrannisch, ikonisiert die Liebe zu ihrem Mann. Das Verhältnis zwischen Mutter und Tochter ist schwierig, Neid auf seiten der Mutter, Unverständnis bei der Tochter.
Erst in späteren Gesprächen wird deutlich, wie sehr der Mutter die Flügel gestutzt wurden. Die Liebe zu ihrem Mann wird zum Lebensinhalt, weil ihr Leben keinen anderen Inhalt hat/ haben darf. Sie hätte gerne gearbeitet, wäre gerne gereist, doch das ist für Frauen ihrer Zeit und ihres Standes selten vorgesehen. Tugendhafte Mutter und Hausfrau zu sein, ist das Ideal der Zeit.
Ihre aufgestaute Wut läßt sie an der Tochter aus, die ihre Möglichkeiten nutzt und sich damit von ihrer Familie löst. Andererseits scheint Vivian Gornick ihre Mutter als Spiegel, als Sparringspartner zu brauchen. Die Verbindung hält lebenslang, die Hassliebe auch. Es ist eben schwierig, wenn die Person, die einen am besten versteht, auch diejenige ist, die am härtesten und grausamsten kritisiert.
Vivian Gornick gewährt einen tiefen Einblick in ihr Leben, kommentiert und sinniert klug über ihre Einflüsse, über prägende Persönlichkeiten. Das ist hochinteressant zu lesen, bisweilen auch schmerzhaft, zumal man nicht umhin kommt, über das eigene Leben nachzudenken, über Träume, Wurzeln, Ideale, über das, was einen prägt und Ballast, der einen hemmt.
„Fierce Attachments“, so der Originaltitel, erschien 1987 erstmals und die mir hier vorliegende Ausgabe ist die deutsche Erstausgabe. Mehr noch, es ist laut Verlag das erste ins Deutsche übersetzte Buch der Autorin überhaupt. Und das gibt mir doch sehr zu denken. Und erinnert mich daran, dass es keinen Grund gibt, die Hände in den Schoss zu legen. Denn ein ähnlicher Klassiker eines männlichen Autoren wäre sicherlich schon längt übersetzt worden.

Ich danke dem Penguin Verlag für das zur Verfügung gestellte Leseexemplar.

 

Weitere Besprechungen:

Sätze & Schätze https://saetzeundschaetze.com/2019/04/20/vivian-gornick-ich-und-meine-mutter/

Das Lied bleibt in Ewigkeit

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Der Sänger
Lukas Hartmann
erschienen am 24.April 2019 im Diogenes Verlag
ISBN 978-3-257-07052-1

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Jahrelang blieben meine Schallplatten in Umzugskartons. Ich hatte keinen geeigneten Schallplattenspieler mehr und auch nicht den rechten Platz. Nach einem Umzug ist das nun erfreulicherweise anders. Die erste Stimme, die auf dem neuen Gerät erklingen durfte, war die eines kleinen Sängers mit einer unfassbar großen Stimme: Josef Schmidt. Und unfehlbar stellt sich ein, was mancher als kitschig betrachten mag, das Gefühl, welche Gnade es ist, so eine Stimme hören zu dürfen. Das war schon immer so und es hat sich scheinbar nicht geändert.
Als nun der Diogenes Verlag Hartmanns Buch über Schmidt ankündigte, war sofort klar, dass ich es lesen würde. Schon sein Roman über Lydia Welti-Escher gefiel mir sehr gut und seltsamerweise hatte ich mich mit Schmidts Leben bisher nur wenig beschäftigt. Ich wußte nur Eckdaten: den frühen Tod auf der Flucht vor den Nazis, die Probleme mit seiner Größe auf der Bühne, sein Frauen“verschleiß“.
Lukas Hartmann schreibt vornehmlich über die letzten Wochen Josef Schmidts. In Einschüben erfahren wir etwas über seine Jugend in der Bukowina, über erste Gesangeserfolge in der Synagoge, dann folgt der weltweite Ruhm, den er schlußendlich so bitter mit seinem Tod bezahlen muss. Nach Frankreich ist er zunächst geflohen und möchte nun, da es im besetzten Land nicht mehr sicher ist, über die Grenze in die Schweiz. Die Grenzen sind allerdings für Flüchtlinge geschlossen, ganz speziell für jüdische Flüchtlinge, denn Antisemitismus ist auch in der Schweiz nicht unbekannt. Außerdem quält die Schweizer die Angst um ihren Lebensstandard und natürlich auch vor Hitlers Reaktion. Dank eines Schleppers gelingt es Schmidt dennoch, er kommt in ein Schweizer Flüchtlingslager. Und dort statuiert man ein Exempel an dem müden, kranken Mann. Sein Status als Berühmtheit dürfe ihm nicht zum Vorteil gereichen, er sei zu behandeln wie jeder andere auch. Sein sich zunehmend verschlechternder Gesundheitszustand wird ignoriert, bis Schmidt im Lager elendiglich verreckt. Einen anderen Ausdruck finde ich nicht dafür.
Erschreckend an dem Buch ist nicht nur der letzte Weg des großen Sängers, sondern es sind auch die Parallelen zur Gegenwart, die schaudern machen. Die Argumente gegen die Aufnahme von Flüchtlingen haben sich nämlich in all der Zeit keinen Deut geändert, sind nur alter Wein in neuen Schläuchen. Heute lesen wir mit Entsetzen, dass jüdische Flüchtlinge über die Grenzen zurückgeschickt wurden, zurück in den sicheren Tod. Es bleibt zu hoffen, dass spätere Generationen genauso mit Unverständnis auf mangelnde Hilfeleistung im Mittelmeer und an anderen Brennpunkten schauen. Und vielleicht aus unseren Fehlern lernen. Uns ist das ja scheinbar nicht gelungen.

Ich danke dem Diogenes Verlag für das zur Verfügung gestellte Leseexemplar.

Weitere Besprechungen:

literaturreich https://literaturreich.wordpress.com/2019/05/25/lukas-hartmann-der-saenger/
literaturgeflüster https://literaturgefluester.wordpress.com/2019/05/03/der-saenger/

Mein Sehnsuchtsort

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Mein Amrum
Annette Pehnt
erschienen am 19. März 2019 im Mare Verlag
ISBN 978-3-86648-293-7

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Mein Amrum wird auf ewig der Ort sein, wo mein Sohn laufen gelernt hat, wo meine meerverrückten Hunde in den Wellen toben können, wo es Urlaubstradition ist, abends eine letzte Runde über die Wandelbahn in Wittdün zu machen, der Ort, an dem ich erkannt habe, dass ich nur am Meer wirklich glücklich bin. Der Grund also, warum ich jetzt zwei Kilometer hinter dem Nordseedeich wohne, zwar nicht auf der Insel, aber trotzdem mit Salzgeruch in der Luft und Möwen im Garten.
Amrum war meine erste richtige Begegnung mit einer Insel und Liebe auf den ersten Blick. Und immer, wenn es gerade im Leben nicht läuft, wenn ich mich nach einer Auszeit sehne, dann sehe ich die stille Weite des Kniep vor mir, die Bohlenwege im Abendlicht, höre den Wind rauschen und möchte augenblicklich die nächste Fähre entern.
Warum ich das erzähle? Weil es genau darum in Annette Pehnts feinfühlig-klugem Buch geht, weil es sich beim Lesen anfühlte, als sei es nur für mich geschrieben. Sie reist regelmäßig nach Amrum, diesmal zum ersten Mal mit ihrer Hündin, erzählt von ihren Erlebnissen, von der Insel, von Überlegungen und Gedanken, die beim Erkunden und Wiederentdecken aufkommen. Auch von der merkwürdigen Erkenntnis, dass man Amrum entweder nicht mag oder über alles liebt, schwarz oder weiß, kein grau. Und dass jeder, der die Insel liebt, es auch liebt zu erzählen, was sie denn so liebenswürdig macht, was man unbedingt gesehen, erwandert, besucht oder verzehrt haben sollte.
Schön auch die Geschichten über die Hündin, über ihr Ankommen auf der Insel. Immer schon habe ich mir Hunde gewünscht. Unvergessen ist die Freude meines ersten Rüden über Meer und Wellen, über endlos lange Spaziergänge und eine sandige Nase. So hatte ich mir das Leben mit Hund vorgestellt…
Eine stille Liebeserklärung ist dieses Buch, passend für eine Insel, die Ruhe und Weite ausstrahlt, die einem Raum gibt zum Nachdenken, zum sich selbst Finden und zum tief Durchatmen.

Ich danke dem Mare Verlag herzlich für das zur Verfügung gestellte Leseexemplar.

Liebe, Kunst und Ringelreihen

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Die Sparsholt-Affäre
Alan Hollinghurst
Aus dem Englischen von Thomas Stegers
erschienen am 11.März 2019 im Blessing Verlag
ISBN 978-3-89667-626-9

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Ich springe ausnahmsweise einmal gleich ohne Umschweife in das Thema: Wandlungen in der englischen Gesellschaft von 1940 bis zur Gegenwart, dargestellt anhand des Umgangs mit Homosexualität. Was klingt wie eine trockene Abhandlung, ist stattdessen ein geistreicher, charmanter und absolut lesenswerter Roman.
Zunächst befinden wir uns im Oxford der Kriegsjahre. Freddie Green berichtet von der Liebe seines guten Freundes Evert Dax zu einem Mitstudenten namens David Sparsholt. Dessen Ausrichtung ist unklar, immerhin ist er verlobt und direkte Nachfragen sind aufgrund der Gesetzeslage nicht ungefährlich. Schließlich galt Homosexualität damals als strafbares Delikt.
Was auch immer in Oxford damals geschah, David wird Vater eines Sohnes, Johnny. Und dessen Lebensweg ist der rote Faden des Romans. Wir lesen über die erste Verliebtheit in einen französischen Austauschschüler, erleben, wie der Wunsch wächst, Künstler zu werden, wie Johnny über Umwege Vater einer Tochter wird und versucht, ein glückliches und erfülltes Leben zu führen. Überschattet wird dieser Versuch allerdings von einem Skandal rund um seinen Vater, der dessen Leben und Ehe zerstört und auch den Sohn stark beeinflusst.
Ein sprachlich hervorragender Roman, der feinfühlig mit einem schwierigen Thema umgeht. Was macht es mit einem Menschen, wenn die Hälfte seines Lebens im Verborgenen stattfinden muss, wenn Gesellschaft und nahe Umgebung die Neigungen, die man ja nicht beeinflussen kann, nicht akzeptieren, schlimmer noch verachten? Welche Veränderungen sind möglich, wenn Liebe nicht mehr strafbar ist und verhältnismäßig offen gelebt werden darf?
Der Roman hat eine besondere Ausstrahlung, die ich nur schwer beschreiben kann. Vielleicht ist es die auch heute noch seltene Selbstverständlichkeit, mit der über gleichgeschlechtliche Liebe gesprochen wird. Die sich ja nicht unterscheidet von der gesellschaftlich anerkannten Form.
Vielleicht sind es aber auch die Charaktere, die britische Kultiviertheit und der Schreibstil, „geistreich“ laut Klappentext, „geistreich, berührend und brillant“. Und besser kann man es eigentlich auch gar nicht zusammenfassen.

Ich danke dem Blessing Verlag herzlich für das zur Verfügung gestellte Leseexemplar.

Zwei Theaterstücke

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Zwei Theaterstücke
Martin Schörle
erschienen im Engelsdorfer Verlag
ISBN 978-3-96008-408-2

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Eine schwierige Rezension. Schon bei der Anfrage hatte ich Zweifel. Dabei war des Autors Anschreiben mit der Frage, ob ich wohl Interesse hätte, seine Stücke zu lesen und zu besprechen, wirklich nett formuliert. Genauso nett war auch der Auszug aus dem Theaterstück, den ich zur Einstimmung lesen durfte.
Und dann stellte sich mir auch die Frage, ob meine eher ablehnende Haltung nicht völlig grundlos, schlimmer, nahezu arrogant sei, basierend nur auf der Tatsache, dass der Engelsdorfer Verlag eine Plattform ist für Autoren, die nicht bei den gängigen Verlagen untergekommen sind. Und ob ich mir diese Überheblichkeit wirklich gestatten möchte.
Zumal die beiden Theaterstücke, die in dem Büchlein zusammengefasst erschienen sind, durchaus lokale Anerkennung gefunden haben.
Ich habe die Stücke nun also gelesen. Und leider gefielen sie mir nicht sonderlich.
In „Nichtalltägliches aus dem Leben eines Beamten“ geht es um ebendieses, ein Beamtenleben, zwischen geeigneten Radiergummis und den passenden Aktenzeichen. Fredenbek heißt der leicht gestörte Mensch, der uns monologisierend Einblick gibt in seinen Büroalltag. Das ist nicht wirklich neu, aber stellenweise arg übertrieben. Soll es auch, genauso wie die Kalauer unter der Gürtellinie. Ich hätte mir das Ganze etwas eleganter gewünscht, weniger dick aufgetragen und, für mein Befinden, plump. Aber ich kann mir ja viel wünschen, andere mögen es so. Daher: einfach nicht mein Stil und meine Wellenlänge.
„Einladung zum Klassentreffen“ ist da durchaus anders. Ein Telefonat im Zugabteil zwischen zwei Menschen, die als Schüler ein Paar waren. Ursprünglicher Grund des Telefongesprächs: der Titel des Stückes. Was sich daraus entwickelt, hat durchaus Charme und Witz und erinnert an den frühen Curt Goetz. Nun sind dessen frühe Stücke aus den Zwanzigern des letzten Jahrhunderts. Und fast einhundert Jahre später wirkt so etwas doch etwas antiquiert, Handy hin oder her…
Ich bin also leider nicht sehr glücklich geworden mit dem Buch. Anderen mag es damit aber durchaus anders gehen. Vielleicht hätte es geholfen, sich meine anderen Rezensionen anzusehen. Anhand der gelesenen Bücher und der Art der Besprechung läßt sich ja schon viel über den Rezensenten sagen und ich glaube, man hätte erkennen können, dass es wahrscheinlich unglücklich verlaufen werde.
Ich bedanke mich dennoch herzlich für das Leseexemplar und wünsche dem Autor alles Gute und ja, auch viele erfolgreiche Aufführungen seiner Stücke.

Hollywood 1922

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Der blutrote Teppich
Christof Weigold
erschienen am 11. April 2019 im Verlag Kiepenheuer & Witsch
ISBN 978-3-462-05141-4

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Vor etwa einem Jahr erschien der erste Band dieser Reihe über den deutschen Privatdetektiv Hardy Engel, verkrachter Schauspieler, Expolizist, der im Hollywood der 1920iger gestrandet ist und nun Kriminalfälle löst. Ich war und bin hellauf begeistert von dieser Mischung aus Fakten und Fiktion, von den Charakteren, dem ganzen Aufbau des Romans.
Und nun also Band 2 mit einem weiteren Mordfall hinter den Kulissen. Diesmal geht es um den Regisseur William Desmond Taylor, der offenbar kurz nach einem Telefonat mit Engel ermordet wurde. Und die Polizei ist mehr als gewillt, den aufmüpfigen „Schnüffler“ als Tatverdächtigen festzunehmen.
Wenn der erste Band so hervorragend ist, habe ich beim Nachfolger immer ein wenig Angst. Wird das Niveau bleiben? Wird der nächste Band eigenständig sein oder nur am Vorgänger abgekupfert?
Beim ersten Anblick des Buches war ich ernsthaft enttäuscht. War Band 1 noch fest gebunden, ein goldener Backstein sozusagen und als Mordinstrument durchaus geeignet, handelt es sich nun um ein Taschenbuch mit arg dünnen Seiten. Da hat der Verlag wohl kostengünstig gedacht. Aber vielleicht greift der klassische Krimileser ja auch lieber zu einem Taschenbuch?
Und der Inhalt? Nun…
Offen gestanden gefällt mir der zweite Band noch besser als der erste. Er ist straffer, einen Tick spannender und vertraute Charaktere gewinnen noch mehr Profil.
Man gewinnt den Eindruck, es müsse Christof Weigold höllischen Spass bereiten, Hardy Engel durch das Labyrinth Hollywood zu geleiten und dabei reale Figuren lebensecht einzubauen. Sei es „Uncle Carl“ Laemmle oder Ernst Lubitsch, Charlie Chaplin oder Douglas Fairbanks (Senior, der Junior war zu dem Zeitpunkt erst dreizehn Jahre alt). Es gibt auch ein paar wirklich witzige Szenen mit Dorothy Parker und dem Algonquin Round Table.
Ich finde es immer gerade bei Krimis sehr schwer, eine Besprechung zu schreiben, die alles Wesentliche enthält, aber nicht zu viel verrät. Aber ich muss doch unbedingt verkünden, dass ich stark hoffe, dass Miss Polly Brandeis, die Engel diesmal von Zeit zu Zeit bei seinen Ermittlungen unterstützt, uns für die nächsten Bände erhalten bleibt. Überhaupt, die nächsten Bände: möge dem Autor nicht die Puste ausgehen, möge der Verlag die Reihe weiter verlegen (meinetwegen auch als Taschenbuch), möge es noch genug Stoff geben und Hardy Engel bis ins hohe Alter ermitteln und möge es mindestens die nächsten zehn Jahre im Frühjahr einen weiteren Band geben! Ich erkläre die Hardy Engel-Romane hiermit offiziell zu meiner derzeit liebsten Krimi-Reihe. Ich hoffe sehr, wir kommen noch bis in die Dreißiger Jahre, zu meinen Hausgöttern Astaire, Stewart, Gable, zu Busby Berkeley und Ruby Keeler usw. Und daher lege ich allen Krimi-, Film,- Hollywood,- und Philipp Marlowe- Interessierten diese Reihe ans Herz!

Ich danke Kiepenheuer & Witsch herzlich für das zur Verfügung gestellte Leseexemplar.

Erste Liebe

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Siebzehnter Sommer
Maureen Daly
Aus dem Amerikanischen von Bettina Obrecht
erschienen am 15.April 2019 im Kein & Aber Verlag
ISBN 978-3-0369-5990-0

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Dieser 1942 erschienene Roman ist ein Klassiker der amerikanischen Literatur. Er beschreibt einen unvergesslichen Sommer im Leben der siebzehnjährigen Angie Morrow, den Sommer der ersten Liebe.
Angie lebt mit ihrer Familie in einer typischen amerikanischen Kleinstadt. Jeder kennt jeden, abends und an den Wochenenden trifft man sich Drugstore oder geht ins Kino. Am Anfang des Sommers lernt sie Jack Duluth näher kennen, einen Mädchenschwarm des Ortes. Überraschenderweise verlieben sie sich ineinander.
Das nun Folgende beschreibt Maureen Daly ebenso feinfühlig wie anrührend. Denn eigentlich passiert gar nicht viel. Geschrieben 1942, da galt bei der ländlichen Bevölkerung schon ein Kuss fast als ungehörig. Feste Beziehungen wurden von den Eltern nur bedingt gern gesehen. Trotzdem sehen Angie und Jack sich täglich, machen Bootsausflüge, Spaziergänge, treffen sich mit Freunden. Die gerade erst der Kindheit entwachsene Angie verzaubert Jack komplett, auch wenn sie sich ihm nicht an den Hals wirft, keinen Alkohol trinkt und ihre Eltern beständig um Erlaubnis bitten muss.
Mit der Lektüre taucht man ein in eine andere Welt. Eine frische, nach reiner Baumwolle riechende sommerliche Welt. Denn neben der zarten Liebe beschreibt Daly auch Angies Familienleben, gemeinsame Picknicks, das Einmachen der Pfirsiche, Jäten der Beete. Angie lebt in einer heilen Welt, mit liebevollen Eltern und netten Schwestern. Selbst ihre Schwester Lorraine, die einen Hauch von Düsterkeit in die gleißende Helle bringt, verliert Kopf und Ehre nicht komplett.
Mich hat dieser Roman verzaubert. Daly war selbst erst 21, als der Roman erschien und somit sehr nah dran an ihrer Protagonistin. Und sie erzählt so lebensnah von den Gedanken einer Siebzehnjährigen, von ihren Wünschen und Träumen, von den Irrungen und Wirrungen auf dem Weg zum Erwachsensein, dass man wirklich glaubt, Angie selbst zu hören, die von diesem einen, so besonderen Sommer berichtet, der aus dem Kind eine junge Frau macht. An den damit verbundenen Gefühlen dürfte sich auch gar nicht so viel geändert haben, selbst wenn es heute dabei nicht mehr ganz so keusch zugeht.

Ich danke demKein & Aber Verlag herzlich für das zur Verfügung gestellte Leseexemplar.