Das Haupt der Welt
Rebecca Gablé
erschienen 2013 im Bastei Lübbe Verlag
ISBN 978-3-431-03883-5
Bisweilen lese ich unglaublich gerne möglichst dicke historische Romane. Gut recherchiert sollten sie sein und nicht zu blutrünstig. Da bieten sich die Romane von Rebecca Gablé eigentlich ja von selbst an. Trotzdem ist dies mein erster Roman der Autorin.
Es geht um das frühe deutsche Mittelalter, die Zeit der Ottonen, genauer die frühen Regierungsjahre Ottos des Großen. Der Großteil der Charaktere ist historisch verbrieft, natürlich etwas ausgeschmückt, aber wie sagt die Autorin im Nachwort: „Jede Geschichtsschreibung ist Fiktion“.
Mit dem Sturz der Brandenburg werden der slawische Prinz Tugomir und seine Schwester Dragomira Geiseln König Heinrichs I. Schon bald darauf rettet Tugomir Heinrichs Sohn Otto das Leben und wird bekannt als Heiler. Seine Schwester dagegen bekommt ein uneheliches Kind von Otto. Und so nimmt die Geschichte der Geschwister ihren Lauf…
Liebe und Intrigen am sächsischen Fürstenhof, Umsturzversuche und Machtspiele, die Autorin nimmt uns mit in eine aufregende Zeit. Das deutsche Reich römischer Nation ist aufgelöst, doch Otto sieht sich als Nachfolger im Geiste Karls des Großen und versucht sein Reich zusammenzuhalten, auszudehnen und die Slawen zu christianisieren. Das ist nicht einfach, zumal auch nicht alle Familienmitglieder mit seiner Wahl zum Nachfolger Heinrichs I. einverstanden sind. Und so kämpft Otto um den Thron und die Verwirklichung seiner Ideale.
Rebecca Gablé gelingt es recht mühelos, den Leser in andere Zeiten zu versetzen, die Farben, Gerüche, das Leben im Mittelalter aufleben zu lassen. Historische Informationen werden gekonnt nebenher serviert, ohne den Fluss der Geschichte zu verlangsamen oder zu unterbrechen. Dabei ist es gar nicht einfach, die wechselnden Bündnisse, Grenzverläufe, Volkszugehörigkeiten etc zu vermitteln. Viel ändert sich in wenig Zeit, Ottos Reich besteht aus Grafschaften und Marken, nur zusammengehalten durch den Willen ihm zu dienen. Trotzdem kommt selten Langeweile auf, denn die Charaktere sind im Großen und Ganzen ausgereift und in sich logisch. Ein kleiner Wermutstropfen: Otto bleibt blass, wie es so häufig mit dem hehren, ewig guten Helden geht. Bösewichter sind eben spannender…
Ein großer Wermutstropfen: die Sprache ist mir persönlich häufig einfach zu modern. Natürlich ist es schwierig, den richtigen Ton für wörtliche Rede zu finden, wenn das, was damals in Sachsen gesprochen wurde nurmehr wenig mit unserem heutigen Deutsch zu tun hat. Und natürlich macht es dann auch wenig Sinn, sich irgendeinen nach Mittelalter klingenden Kauderwelsch aus den Fingern zu saugen. Aber trotzdem hätte ich mir an einigen Stellen ein bisschen mehr sprachliches Feingefühl gewünscht.
Trotzdem ist „Das Haupt der Welt“ eine gelungene Umsetzung eines Romanthemas, über das noch recht wenig geschrieben wurde, lebendig und farbenfroh. Wieder eines dieser Bücher, die wunderbar zu Kamin und Wolldecke und herbstliches Wetter passen. Und es ist durchaus möglich, dass ich bei Gelegenheit weitere Romane Gablés lese.
Ich persönlich hatte keine Probleme mit der modernen Sprache, habe es aber auch als Hörbuch gehört, da kommt das noch mal anders rüber, glaube ich. Ich mochte auch die Fortsetzung „Die fremde Königin“.
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Zum zweiten Band kann ich mich derzeit nicht überreden. Dieser Roman wäre auch als Einzelwerk aussagekräftig genug. Manchmal stört es mich fast, dass es ständig zu allem noch eine Fortsetzung gibt… 😉
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Na ja, in dem Fall ist es gerechtfertigt, da Otto ja noch lange Kaiser war und seine zweite Frau wirklich eine interessante Frau, da kommen auch noch große historische Ereignisse vor, wie die Schlacht auf dem Lechfeld – da drängt sich ein zweiter Band förmlich auf. Tugomir ist da allerdings auch nur noch eine Nebenfigur, das finde ich auch gut so. Vielleicht hast du ja irgendwann mal Lust darauf 🙂
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Hm, ich schau mal. Derzeit biegt sich mein Nachttisch allerdings ausreichend. Daher versuche ich Neuanschaffungen zu vermeiden…
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