Der König auf Camelot
T. H. White
Aus dem Englischen von Rudolf Rocholl
erschienen 2006 im Klett-Cotta Verlag
Sieben Tage habe ich gebraucht für T. H. White’s Umsetzung der Artus-Legende. Sieben Tage, in denen ich gelacht, gezittert, gehofft, gebangt, geflucht und mich zu Tode gelangweilt habe. Zwischen 1939 und 1958 geschrieben, mit deutlichen Bezügen zum Dritten Reich, in seinen vier Teilen irgendwie unzusammenhängend und auch nicht unbedingt flüssig lesbar formuliert, ist dieser Wälzer eigentlich eine Zumutung.
Erzählt wird das Leben und Wirken des britischen Sagenkönig Artus, von seiner Jugend als Ziehsohn im Schloß seines Onkels, von den Abenteuern mit seinem Lehrmeister Merlin, vom Aufbau der Tafelrunde und seiner Freundschaft mit Sir Lanzelot bis zum Kampf gegen seinen eigenen Sohn.
Obwohl White Artus‘ Werdegang stets verfolgt und im Auge behält, mäandert der Text um sein Thema herum, schweift ab, erzählt, erklärt und schafft Bezüge zu anderen Zeiten. Das ist sehr lehrreich, was Regeln und Riten des Rittertums angeht, immer wieder witzig, besonders wenn Zauberer Merlin die Bühne betritt, aber auch stellenweise arg langweilig, bei der soundsovielten Aventuire beispielsweise und sogar platt, wenn es um die Vergleiche Mordred/Hitler geht. Die Bücher sind definitiv nicht aus einem Guss und ein paar Straffungen hätten sicherlich nicht geschadet. Aber davon mal abgesehen, ist diese Artus-Sage großartig. Man muss sich an den Schreibstil gewöhnen und bisweilen ein wenig querlesen, dann nimmt das Buch den Leser mit auf eine wundersame Reise. Eine Reise in Zeiten, wo es noch Lindwürmer und sprechende Eulen gibt, wo Ritter gerüstet zum Tjost antreten und ein Junge nur ein Schwert aus dem Stein ziehen muss, um Großkönig von England zu werden.
Auf mich hat die Artus-Sage schon immer großen Reiz ausgeübt. Durch White habe ich das Gefühl, ein tieferes Verständnis für Aussage und Interpretationsweisen dieses Sagenkreises gewonnen zu haben. Und das war das Gefluche und Gezeter allemal wert. Außerdem ist der Schreibstil zwar aufmerksamkeitsfordernd, aber eben auch beeindruckend und des Autors gesammeltes Wissen fast erschlagend in seiner Vielfalt. Eine trotz aller Kritikpunkte großartige Aufarbeitung des Themas.
Danke für die Besprechung. Ich liebe die Artus-Sage, aber bei T.H.White bin ich aus den genannten Gründen ausgestiegen. Von Peter Ackroyd gibt es eine kompaktere Version: ‚The Death of King Arthur‘ ist die Übertragung von Thomas Malorys Le Mort d’Arthur in modernes Englisch – kurz und knackig! Am allerliebsten ist mir trotzdem ‚Die Nebel von Avalon.‘
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Ich muss gestehen, ich mag auch die Version von Cornwall.
Diese hier ist schon eigen. Aber ich möchte den Ton…
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Ich fand nur den ersten Teil wirklich genießbar & die Brückenschläge ins Heute (also: damals) sehr bemüht. Meine liebste Bearbeitung des Stoffes sind Tennysons Idylls of the King (saubere Verse, ultrakompakt, Basis ist u.a. die Textwüste Malorys. Die beste systematische Übersicht ist mE The Development of Arthurian Romance von Roger Sherman Loomis.
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Die meisten können mit White nichts anfangen. Mir hat das Buch gefallen, auch wenn es mich häufig zum Fluchen gebracht hat.
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Na ob „die Meisten“ jetzt so zutrifft? Ist doch einer der großen Fantasy Best- und Longseller?
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Bisher habe ich nur Verrisse entdeckt und kenne auch niemanden, der damit etwas anfangen kann. Aber irgendwo werden sich die Leser wohl verstecken…
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komisch… vll hat die Verfilmung falsche Erwartungen an die Bücher geweckt 😉
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Dabei ist Madame Mim doch vor Veröffentlichung schon aus den Büchern gestrichen worden… 😉
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