Lichter im Berg
Barbara Aschenwald
erschienen 2018 im Hoffmann und Campe Verlag
ISBN 978-3-455-00298-0
Wenn man viel liest, und das kann ich von mir durchaus behaupten, bekommt man ein ganz gutes Gespür dafür, welche Bücher interessant sein könnten und welche eher unpassend sind. Man kennt die Verlage, man kann Klappentexte einschätzen, man kennt die eigenen Vorlieben und weiß, welche Grenzen man zu überschreiten bereit ist und welche nicht. Ich zum Beispiel würde unter keinen Umständen blutige Thriller lesen oder allzu genau beschriebene Gemetzelszenen aller Art. Damit mag mir manch gut geschriebenes Buch entgehen, aber das ist dann eben so.
Bei „Lichter im Berg“ hat dieses Gespür komplett versagt. Ich habe das Buch in der Verlagsvorschau entdeckt, mir notiert und war hocherfreut, als ich über die Buchplattform Litnity die Möglichkeit bekam, es zu lesen und zu rezensieren. Es ginge in der Hauptsache um Galtür und seine Bewohner, dachte ich:„Ein Dorf hoch oben in den Bergen. Wenn die Dämmerung kommt, beginnen seine Lichter zu brennen, und ob sie offen leuchten oder verborgen schimmern, Barbara Aschenwald folgt ihnen und findet in ihrem Lichterkreis allerhand Geschichtenstoff“ so heißt es im Klappentext. Damit ist geklärt, was die Autorin inspiriert hat, aber nicht, wohin die Inspiration sie führt – und das genau ist der Punkt, den ich übersehen habe. Und auch der Grund, warum dieses Buch und ich nicht zueinander gefunden haben, denn auf ihren Wegen mochte ich Barbara Aschenwald immer weniger folgen.
Es beginnt schon im ersten Absatz der ersten Erzählung. Sie schreibt vom „letzten, feigen Licht des Tages“ und in mir regt sich Unwillen. Feiges Licht, ernsthaft? Sonnenuntergänge können ja eine Menge Gefühle hervorrufen, aber sie als feige zu bezeichnen, ist mir zu gewollt poetisch. Was genau macht denn feiges Licht aus?
Weiter geht es mit der Tür, die schon im Ortsnamen anklingt, durch die jemand vermeinte zu gehen. Falltür nach Galtür? Ah geh, wie eine Wiener Bekannte nun sagen würde…
Ich habe sie gelesen, Geschichte für Geschichte, und dagegen angekämpft, das Buch zuzuklappen. Es erschien mir nicht richtig, das zu tun, denn jede Geschichte hätte meine Sicht ja drehen können. Dem war leider nicht so.
Schlußendlich finde ich Frau Aschenwalds Stil immer da gelungen, wo sie anscheinend nah an bekannten Menschen und Orten geblieben ist, wo sie Galtürs Lebensarten und Besonderheiten beschrieben hat: nur drei warme Monate, kein Obst gedeiht so hoch oben, es gibt kaum Vögel, und im Winter ist Galtür teilweise ganz abgeschnitten von der Außenwelt. Das ruft einen besonderen Menschenschlag hervor, einen anderen Zusammenhalt. In diesen Geschichten findet sie einen echteren Ton.
In den anderen freilich ist sie mir abwechselnd zu naiv , etwa wenn sie den glücklichen Bergbauern gegen den vom Leben ermüdeten Logistiker stellt; zurück zu Natur und Genügsamkeit, und alles wird gut? – wohl kaum. Manch ein einsamer Bergbauer wird von der weiten Welt geträumt haben, auch Enge kann ersticken. Oder zu oberlehrerhaft, wenn sie da von Irrenanstalten schreibt, die ihre Kranken erst irre machen oder ihren Lebenswillen brechen, von einer Stadt, wo alte und kranke Menschen entsorgt werden. Gesellschaftskritik in dieser Form ist mir zu simpel. Das Leben und die Gesellschaft sind nie „schwarz kontra weiß“, die Guten gegen die Bösen.
Ich glaube, da wollte jemand ganz viel Bedeutung in seinen Texten unterbringen, ganz viel poetische Sprache. Mir wäre durchdachter Inhalt lieber gewesen.So ist es bisweilen unfreiwillig komisch: „Und nun, da er direkt neben der Zypresse stand, hatten die beiden tatsächlich gewisse Ähnlichkeit. Der dunkle Mantel, die schlanke Gestalt, hoch und dünn, nur, dass er nach oben hin an den Schultern erheblich breiter wurde und die Zypresse schmaler.“ Und mehr gibt es dazu nicht zu sagen.
Ich danke dem Verlag und litnity.com herzlich für das Rezensionsexemplar.
Google mal Galtür 1999, das bringt vielleicht zusätzliche (Schlag-)Lichter in den Berg und es ist das, womit halb Österreich den Ortsnamen verbindet.
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Die Hälfte der Erzählungen hat mit Galtür nichts zu tun. Die Autorin hat sie wohl dort während eines Aufenthalts verfasst.
Insofern verhilft das Wissen um das Lawinenunglück mir nicht zur Erleuchtung…
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Jetzt bin ich verblüfft – ein Buch „über Galtür und seine Bewohner“ ohne Bezug zur Lawine, das kann eigentlich gar nicht funktionieren. Ich meine damit nicht, man müsste bis in alle Ewigkeit dieses eine Unglück den Ort definieren lassen, aber wenn ich Deinen Kommentar richtig verstehe, hat die Autorin das Thema vollkommen ausgespart, das kann auch nicht gesund sein…
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Es wird am Rande erwähnt. Es geht aber mehr um Galtür heute. Ich würde ja sagen, lies es, mag ich aber nicht… 😉
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Ich hätte den Erzählband genau wegen des „feigen Lichts des Tages“ gewählt, ich finde das Bild richtig gut 🙂 Übrigens Galtür hat nix mit Türen zu tun, dass ist die Tiroler Dialektvariante vom romanischen „cultura“, das ehemals sumpfige Gebiet urbar machen.
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Ich habe mit der Tür nicht angefangen. Das ist Frau Aschenwalds Idee.
Wenn Du das Buch noch nicht hast, sende ich es Dir gerne!
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