Neu York
Francis Spufford
Aus dem Englischen von Jan Schönherr
erschienen 2017 im Rowohlt Verlag
ISBN 978-3-498-06447-1
Neu York, 1746. Zu dieser Zeit ist die spätere Millionenstadt ein kleines englisches Kolonialstädtchen, immer noch geprägt von den holländischen Gründern. Von den beständigen Einwohnern kennt jeder jeden, Neuankömmlinge werden mißtrauisch beäugt. In diese Dorfwelt platzt der Londoner Richard Smith, ausgestattet mit einem Wechsel über tausend Pfund, den einzulösen der zuständige Kontor sich weigert. Eine Anfrage wird zurück nach London geschickt, damals noch per Schiff. Die erhebliche Wartezeit stellt Mr.Smith nicht nur vor finanzielle Probleme, nein, er muss sich auch erwehren gegen Versuche, ihn auszuhorchen oder gar politisch vor einen Karren zu spannen.
Was so zusammengefasst vielleicht ein wenig trocken wirken mag, ist genau das aber keineswegs. Spufford hat einen herrlichen Schelmen- und Abenteuerroman geschrieben um diesen mysteriösen Mr. Smith, der weder die Neu Yorker noch uns Leser hinter die Karten gucken lässt. Was treibt diesen offensichtlichen Großstädter in die Kolonien? Was möchte er mit den tausend Pfund dort erreichen?
Francis Spufford ist eigentlich bekannt als Sachbuchautor. Dies ist sein erster Roman und, das sei gleich dazu gesagt, hoffentlich nicht sein letzter. Denn hier treffen genaue und gekonnte Beschreibungen der damaligen Gegebenheiten auf überbordende Fabulierlust und ein Händchen für geschickte Wendungen. Immer dann, wenn man eine neue Idee entwickelt hat, wohin die Reise gehen könnte, macht Spufford einem charmant lächelnd einen Strich durch die Rechnung. Und so hatte ich hier tatsächlich einen der wenigen Romane vor mir, bei denen ich bis zum Schluss überraschende Entdeckungen machen konnte. Dazu kommen interessant gezeichnete Charaktere, von Mr Smith selbst natürlich, über die ein wenig überspannte Tochter des Kontorbesitzers, bis hin zu den holländischen Platzhirschen vor Ort, einer wirklich freundlichen Familie, mit einer gehörigen Portion Eisen unter dem Zuckerguss.
Um dem Ganzen nun noch die Krone aufzusetzen, hat Rowohlt das Buch auch besonders hübsch gestaltet. Jeder Teil wird mit einer Illustration von Eleanor Crow eingeleitet, die dabei Zeichnungen aus dem 18.Jahrhundert zum Vorbild nahm. Der Schutzumschlag zeigt eine Häuserreihe in holländischem Hansestil mit Goldprägung akzentuiert, und ja, es gibt ein Lesebändchen, für mich immer das seligmachende Tüpfelchen auf dem i.
Scheinbar ist dieser Roman bei den Neuerscheinungen des letzten Jahres unverdient ein wenig untergegangen. Grund genug, jetzt eine definitive Leseempfehlung auszusprechen, denn für mich zählt der Roman zu den besten, die ich dieses Jahr bisher gelesen habe.
Ich finde die Anfänge von New York total spannend, hab auch schon das New York-Buch von Edward Rutherfurd gelesen. 🙂
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Ich liebe Rutherfurd, besonders seinen Zweibänder über Irland. London liegt noch auf dem SuB.
Hier hab ich mir selbst ein Beinchen gestellt. Irgendwie habe ich ständig auf den Auftritt von Pocahontas gewartet – Smith und Pocahontas, das war für mich in dem Setting eine geradezu zwingende Kombi…
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Ich bin auch ein Fan von Rutherfurd, ihm verdanke ich auch meine Lieblingsstadt in England (Salisbury –> Sarum). „London“ hat mir bisher am besten gefallen, musst du unbedingt lesen!
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Sarum steht auch schon recht weit oben auf meiner Wunschliste, werde ich also gaaanz sicher lesen!
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