Tatjana
Curt Goetz
erschienen 1946 im Artemis Verlag, Zürich
Dieses Schätzchen stand schon länger ungelesen in meiner Bibliothek. Es ist ein Flohmarktfund, mitgenommen, weil erstens das Cover wunderschön ist und ich zweitens dachte, es ist von Curt Goetz, also ist es lesenswert.
Es ist ein schlichtes Taschenbüchlein, nicht besonders dick und vom Cover mal abgesehen, gänzlich unauffällig. Die Seiten sind vergilbt, die Ecken abgestossen, kurz: es wurde mehrfach gelesen, aber dabei offensichtlich liebevoll behandelt.
Curt Goetz war zu seiner Zeit, d.h. Mitte der zwanziger bis Ende der fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts, einer der begabtesten deutschsprachigen Komödienschreiber. Seine Stücke wurden in fast allen Theatern aufgeführt, zu Hörspielen verarbeitet und unzählige Male verfilmt. Am bekanntesten ist wohl „Das Haus in Montevideo“, u.a. 1963 von Helmut Käutner verfilmt mit damaligen Größen wie Heinz Rühmann, Ruth Leuwerik, Paul Dahlke und Victor de Kowa.
„Tatjana“ nun entstand in der Zeit, in der Goetz in Amerika lebte und schrieb. Er war dort vom Ausbruch des Zweiten Weltkriegs überrascht worden und blieb. Der Inhalt ist kurz zusammengefasst: Ein gestandener Mann, verheiratet, Kinder, Arzt, verliebt sich unsterblich in eine minderjährige Cellospielerin. Er wirft sein ganzes vorheriges Leben über den Haufen, um mit Tatjana und ihrer Mutter um die Welt zu reisen. Als sie eine Lungenentzündung bekommt, heiratet er sie noch kurz vor ihrem Tode und vegetiert fürderhin als gebrochener Mann dahin.
Was klingt wie ein melodramatischer Abklatsch von Nabokovs „Lolita“, ist tatsächlich schon vorher, nämlich 1944 entstanden. Das Thema scheint also in der Luft gelegen zu haben. So wunderbar Goetz seine Komödien konstruiert hat, pointiert und wohlformuliert, so sehr ist ihm diese Novelle mißlungen. Allzu dramatisch sind manche Ereignisse, zu gefühlsduselig ist die Umsetzung. Wobei andere Leser das durchaus anders empfinden mögen.
Nichtsdestotrotz werde ich mein Büchlein natürlich weiterhin behütet im Regal stehen lassen. Aufgrund der Menge meiner gelesenen Bücher muss ich immer genau überlegen, was bleibt und was geht. Dieses bleibt. In Erinnerung an einen eigentlich hervorragenden Schriftsteller und weil jemand es trotz aller weiteren Schlichtheit sehr liebevoll mit diesem Cover ausgestattet hat.