Gartenreisen

Reiselust und Gartentraeume von Heidi Howcroft

Reiselust & Gartenträume

Heidi Howcroft

erschienen 2017 bei DVA

ISBN 978-3-421-04081-7

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Wir haben vor geraumer Zeit ein altes Bauernhaus mit einem wunderschönen, aber völlig verwilderten Garten übernommen. Seitdem beschäftige ich mich mit Gartengestaltung. Dabei schaue ich gern auch über den Tellerrand bzw. Holzzaun in andere Länder und Gärten und bin immer auf der Suche nach spannenden Büchern, die genau das ermöglichen.

Die gerade in der Deutschen Verlags-Anstalt erschienene Anekdotensammlung der britischen Gartenarchitektin Heidi Howcroft ist äußerlich ein echtes Schmuckstück. Ein Gemälde von Binette Schroeder, „Das Palmenschiff“, ziert den Schutzumschlag, der sich passenderweise auch anfühlt wie Leinwand. Der Untertitel „Geschichten über Reisen zu fernen Gartenparadiesen“ weckte sofort mein Interesse und ein Blick in das Inhaltsverzeichnis sofortige Leselust. Da findet man u.a. Kapitel über maurische, italienische, karibische, chinesische Gärten.

Und die Autorin Heidi Howcroft ist in Gartenkreisen ja auch keine Unbekannte. Sie hat diverse Bücher veröffentlicht, schreibt Kolumnen und gibt Gartentipps in Zeitschriften. Ihr letztes Buch „Tee und Rosen“ wurde mir unlängst von einer Bekannten wärmstens empfohlen. Hier nun berichtet sie von ihren Reisen mit der MS Deutschland, einem Kreuzfahrtschiff, in die unterschiedlichsten Gegenden der Welt. Sie war wohl längere Zeit als Reiseleitung für Gartenreisen tätig und hat ihre Eindrücke in einem Buch zusammengefasst.

Das klingt dann in etwa so: “ Die Schlange der Wartenden war lang, der servizio-Bus des Parco Reale, des königlichen Gartens von Caserta, entsprach der kleinsten Ausgabe eines Pendelbusses, der ich je begegnet bin, und der Weg durch den Park bis hin zu unserem Ziel, dem Englischen Garten und unserem dort organisierten Mittagessen, schien endlos zu sein.“

Dass die Engländer Meister der belanglosen Konversation sind, ist ja landläufig bekannt. Aber das jemand ein ganzes Buch damit füllt, ist doch grenzwertig. Natürlich beschreibt Frau Howcroft auch die einzelnen Gärten mal mehr mal weniger anschaulich, aber weite Teile des Buches bestehen aus Geplänkel über Mittagessen, Freunde von Freunden und die Wetterlage. Das ist allenfalls für Mitreisende spannend.

Das größte Manko dieses Büchleins sind aber die fehlenden Bilder. Es gibt tatsächlich in diesem Buch, das die exotischsten, interessantesten Gärten ferner Länder beschreibt, kein einziges Bild. Da kann die Autorin noch so genau den Wegeverlauf eines chinesischen Gartens beschreiben, der Leser muss entweder seine Phantasie bemühen oder die Tastatur des Computers, um einen Eindruck zu bekommen. Es hätte ja schon ein Stimmungsbild am Anfang jeder Anekdote gereicht, um eine Idee des jeweils beschriebenen Gartens zu vermitteln.

Ein schön aufgemachtes Buch mit belanglosen Plaudereien über Gartenreisen.

 

Vielen Dank an die DVA für das Leseexemplar.

Hommage an Trollope

Der Buchliebhaber von Charlie Lovett

Der Buchliebhaber

Charlie Lovett

erschienen 2017 im Goldmann Verlag

ISBN 978-3-442-48711-0

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Nach „Jane Austens Geheimnis“ legt Charlie Lovett nun mit „Der Buchliebhaber“ erneut einen Roman vor, der sich der Liebe zu Büchern widmet und der Suche nach besonderen Exemplaren.

In diesem Falle trifft ein britischer Dozent für englische Literatur auf eine amerikanische Computerexpertin. Bethany soll den Bibliotheksbestand der Kathedrale von Barchester digitalisieren. Arthur sucht dort schon seit langer Zeit nach einer verschollenen mittelalterlichen Handschrift.

Die nun folgende Geschichte ähnelt in weiten Teilen einer amerikanischen Screwballkomödie der 50iger Jahre. Arthur und Bethany streiten sich recht wortgewandt in eine Liebesgeschichte. Das ist charmant gemacht und daher vergnüglich für den Leser. Ein zweiter Erzählstrang, der sich mit der Suche nach dem „Buch der Ewolda“ beschäftigt, lockert das Ganze auf und bringt auch ein wenig Spannung in das Liebesgeplänkel.

Ich glaube allerdings, dass dieser Roman im englischen Sprachraum besser funktioniert als hier in Deutschland. Warum ich das glaube? Nun, nebenbei ist dieser Roman auch eine Hommage an den viktorianischen Schriftsteller Anthony Trollope. Dessen Barsetshire-Romane sind in England ähnlich bekannt wie die von Jane Austen. Und daher ist „Der Buchliebhaber“ voller Zitate und Anspielungen. Schon allein der Handlungsort Barchester ist eine Erfindung Trollopes, der im Roman mehrfach erwähnte Kantor Septimus Harding ebenso. Lovett schreibt also eigentlich eine Fortsetzung von Trollopes Reihe. Das scheint derzeit modern zu sein, P.D. James machte Ähnliches mit Austens „Stolz und Vorurteil“, Simon X. Rost mit „Tom Sawyer“.

Aber damit nicht genug, scheint Lovett auch ein großer „Jeeves“-Fan zu sein, eine Gestalt des Schriftstellers P.G. Wodehouse. Letzterer dürfte hier zwar bekannter sein als Trollope, aber bekannt genug? Unser Protagonist Arthur scheint sehr an die typischen Charaktere Wodehouses angelehnt zu sein. Daraus ergeben sich Wortspiele und witzige Situationen, die ein Leser ohne Vorkenntnisse gar nicht erkennt. Das ist schade, macht es doch einen Großteil des Charmes dieses Buches aus. Wobei ich für mich nicht in Anspruch nehme, alle Anspielungen erkannt zu haben. Wahrscheinlich finden sich noch weitere Zitate und Anspielungen auf englische Literatur, die ich gar nicht wahr genommen habe.

Der Buchliebhaber“ ist also ein Roman mit einer etwas blassen Liebesgeschichte, der vor allem lebt durch sein Spiel mit dem englischen Literaturkanon. Wenn man sich ein wenig auskennt, hat man durchaus Spass, wenn nicht, sollte man vor der Lektüre dieses Buchs wenigstens einen „Jeeves“-Roman lesen und Fink-Nottle nicht für eine britische Teesorte halten.

Vielen Dank an den Goldmann Verlag für das Leseexemplar.

„Von Märchensammlern und Mordgesellen“

978-3-426-28101-7_Druck

Grimms Morde

Tanja Kinkel

erschienen 2017 bei Droemer Knaur

ISBN 978-3-426-28101-7

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Ein neues Buch von Tanja Kinkel, Meisterin des historischen Romans, die seit ca 1990 alle ein bis zwei Jahre, mit wenigen Ausnahmen, ein Buch hervor bringt. Eine unglaubliche Produktivität, die, das sei gleich zu Anfang gesagt, in diesem Falle nicht zu Lasten des Romans geht. Der ist nämlich ausgezeichnet konzipiert und liest sich durchgehend vergnüglich.

Um die Brüder Grimm geht es, Jakob und Wilhelm, allseits bekannt durch ihre Sammlung von Märchen, und um die Schwestern von Droste zu Hülshoff, Annette und Jenny, wobei nur erstere durch ihre Novelle „Die Judenbuche“ den meisten Lesern bekannt sein dürfte.

Die ungleichen Geschwisterpaare, das eine bürgerlich und abhängig von der Gunst des Landesfürsten, das andere adelig und abhängig von der Gunst ihrer männlichen Verwandten, geraten in einen Mordfall. Eine ehemalige Mätresse des Vaters des jetzigen Fürsten wird auf ungewöhnliche Weise ums Leben gebracht. Ein Zettel mit einem Märchenzitat aus der Sammlung der Grimms, ursprünglich geschrieben von Annette, liegt anbei. So beginnen die Geschwisterpaare zu ermitteln, im Rahmen ihrer Möglichkeiten.

Und für die Beschreibung dieses Rahmens nimmt sich Tanja Kinkel erfreulicherweise viel Zeit. Der Roman spielt zu Beginn des 19. Jahrhunderts, hauptsächlich im protestantischen Kassel, aber auch im katholischen Münster. Die Franzosen sind gerade abgezogen, das von Napoleons Bruder regierte Königreich Westphalen wurde wieder in die vorherigen Fürstentümer unterteilt. Die alten Adelsfamilien sind erneut an der Macht und jeder, der mit den Franzosen zusammengearbeitet hat, fällt nun in Ungnade – so auch Jakob Grimm, der um seinen Bibliothekarsposten bangen muss.

Als Reaktion auf das französische Savoir-vivre folgt eine Zeit der Sittenstrenge, der Rückbesinnung auf das Häusliche und die „weiblichen Tugenden“ – die Biedermeierzeit. Darunter haben besonders die Droste-Schwestern zu leiden, wird Frauen doch jeglicher Intellekt abgesprochen, gilt die Schreibkunst als männliche Domäne, sind Frauen unter die willkürliche Oberaufsicht ihrer männlichen Verwandten gestellt.

Der Roman passt sich dem Tempo dieser Zeit an: lange Spazierwege und Kutschfahrten führen zu intensiven Gesprächen, der Satzbau ist bisweilen umständlich und verschnörkelt. Keine Ermittlung kann auf direktem Wege erfolgen, es muss immer auf die Befindlichkeiten der involvierten Obrigkeiten geachtet werden.Wer einen schnellen, actionreichen Krimi erwartet, wird mit diesem Buch arg enttäuscht werden. Weite Teile beschäftigen sich mit der Situation der Geschwisterpaare, so entspricht das Verhalten Annettes und Jennys natürlich nicht den Erwartungen der männlichen Grimms, andere Teile vermitteln Landesgeschichte oder entflechten die komplizierten Verbindungen in den Adelshäusern.

Überhaupt ist das Buch eher ein Sittengemälde des Biedermeier als ein Kriminalroman. Wer sich darauf einlässt, erfährt viel über das Leben der Grimms und Droste-Hülshoffs, und bekommt Einblick in eine Zeit, über die es ansonsten recht wenig Literatur gibt. Und trotzdem ist der Mordfall durchaus spannend aufgebaut und der Roman besteht keineswegs nur aus zeitgeschichtlichem Geplauder. Tanja Kinkel ist es hervorragend gelungen, beides zu verbinden.

Ein vergnügliches Leseabenteuer und, dank der liebevollen Ausstattung von Droemer, auch ein Schmuckstück für die Buchsammlung.

 

Herzlichen Dank an Droemer Knaur für das Leseexemplar.

Halbwitwe

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Ehemänner

Jami Attenberg

erschienen 2017 bei Schöffling & Co

ISBN 978-3-89561-204-6

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Mit „Ehemänner“ legt der Schöffling Verlag ein schon 2007 im Original veröffentlichtes Buch der Autorin Jami Attenberg vor. Es erzählt von Jarvis, deren Mann nach einem Unfall im Wachkoma liegt. Sechs lange Jahre besteht ihr Leben aus Warten. Erst auf ein Wunder und später auf ein Ende. Sechs Jahre lang zieht sie sich von der Welt zurück, besteht die Woche aus dem Besuch bei Martin und dem Warten auf den nächsten Besuch. Bis die Waschmaschine beschließt, es sei Zeit für einen Neuanfang und den Dienst aufkündigt. Jarvis ist gezwungen, gewohntes Terrain zu verlassen und einen Waschsalon aufzusuchen…

Behutsam und einfühlsam führt uns Jami Attenberg in das Leben und die Welt von Jarvis ein. Erzählt von ihrer großen, unbedingten Liebe zu Martin, der sie aus dem Party- und Drogensumpf zieht und zu seiner Ehefrau macht, für den und durch den sie von da an lebt, bedingungslos und urteilsfrei. Erzählt, wie Jarvis ins Leben zurückfindet und welchen Weg sie dafür zurücklegen muss, welche Entdeckungen und Erkenntnisse sie dabei macht und hat, wie sie ihre Liebe überdenkt, verliert und wieder findet. Erzählt aber vor allem vom Tod und davon, wie jeder einen eigenen Weg finden muss, damit umzugehen.

Jami Attenberg wagt sich hier an ein Tabuthema: Tod, Trauer und Trauerbewältigung. Und sie zeigt Variationen des Umgangs mit dem Abschied: als die Großmutter von Jarvis‘ Freundin Missy stirbt, findet die ganze Familie zu einer gemeinsamen Trauerfeier zusammen und erinnern sich liebevoll an die Verstorbene. Im Gegenzug dazu finden Martins Eltern keinen Absprung, wollen ihren Sohn nicht gehen lassen, können den Gedanken an den endgültigen Abschied nicht ertragen.

„The kept man“ heisst der originale Buchtitel und trifft damit eher den Kern des Ganzen. Denn darum geht es, Martin loszulassen, die Kraft zu finden ihn gehen zu lassen und darum, den richtigen Zeitpunkt zu finden, darum, in der eigenen Trauer einen Weg zu finden auch über Martins mögliche Wünsche nachzudenken.

Es bleiben viele offene Fragen. Wie geht es weiter, was passiert mit Jarvis, was mit den anderen Personen des Buches? Und es bleibt viel Raum für eigene Überlegungen. Was würde ich tun? Kann man sich überhaupt in eine solche Situation versetzen, kann man nachfühlen, mitfühlen? Es ist der Stil des Buches, keine Antworten zu liefern, sondern Möglichkeiten, Denkansätze. Das Buch selbst ist recht schnell gelesen, aber die Gedanken dazu hallen lange nach. Und genau das macht es so lesenswert, all das was zwischen den Zeilen schwebt, das was in den Gedanken des Lesers passiert.

Wortgewaltig

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Max

Markus Orths

erschienen 2017 im Carl Hanser Verlag

ISBN 978-3-446-25649-1

erhältlich u.a. in der Bücherstube

 

„Alles starb hier. Ein loser Vogel floh vor dem Donnern. Keine Krähe, kein Rabe, kein Kakadu: eine Amsel. Max sah ihr nach in die Nacht. Fliegen: fliehen. Stattdessen Granaten, Kanonen, Ducken in den Grabendreck. Jedes Bild ertrank im Jahre 1915. Was ist deine Lieblingsbeschäftigung, Max? – Sehen! Sehen! Sehen! Seine lebenslange Antwort. Doch gab’s nichts mehr zu sehen jetzt. Das Licht lag im Schlamm.“

Max. Sechs Frauen, sechs Lieben, ein Jahrhundert. So bewirbt der Hanser Verlag das neue Werk von Markus Orths. Und deutet damit schon an, welche Mammutaufgabe Orths sich da vorgenommen hat. Nicht irgendein Max ist es, über den er schreibt, nein, es ist Max Ernst, der unangepasste Ausnahmekünstler, der ewig Suchende, Streitbare. Und seine Frauen: Lou Strauß-Ernst, Gala Eluard, Marie-Berthe Aurenche, Leonora Carrington, Peggy Guggenheim, Dorothea Tanning. Sechs Frauen, und doch nur eine Auswahl aus den unzähligen Frauen des Max Ernst.

2.April 1891 – 1.April 1976. Fast ein Jahrhundert. Und welch eine Zeit: geboren im Kaiserreich, zwei Kriege erlebt, aus der wilhelminischen Enge in den Schützengraben, von da nach Paris, das Nazireich, Flucht, entarteter Künstler, gefeiert und wieder fallengelassen in Amerika, Rückkehr nach Frankreich. Ein reiches Leben, ein schweres Leben, ein langes Leben.

Das alles verarbeitet Markus Orths in seinem Buch, größtenteils gesehen durch die Augen der Frauen. Faszinierend , wie es dem Autor gelingt, Max Ernst quasi als Spiegelbild wieder aufleben zu lassen, als jugendlicher Liebhaber bei Lou, als besitzergreifender Teil einer Menage á trois bei Gala und Paul Eluard, als Objekt einer Obsession bei Marie-Berthe, als Teil einer Verschmelzung  bei Leonora, als unwilliges Besitzstück der Peggy Guggenheim und schlußendlich als teilender Partner bei Dorothea.

Jede Frau zeigt uns eine andere Facette an Max Ernst und erst alle Ansichten zusammen ergeben das Gesamtbild. Dabei lässt Orths den Frauen viel Raum, tritt der Künstler teilweise sogar in den Hintergrund, erfahren wir viel über Leben und Leiden seiner Partnerinnen. Auffallend oft sind sie labil, schillernde Falter an der Grenze zum Wahnsinn. Alle sind sie kunstbegeistert, kunstbesessen, Malerinnen, Kritikerinnen, Kunstsammelnde. Auf der Suche nach einer Identität in einer umbrechenden, auseinanderbrechenden Welt.

Künstlerisch ist die Zeit, in der Max Ernst in Paris lebt, die Zeit zwischen den Kriegen, die Zeit, in der ein Großteil des Romans spielt, eine Hochphase: Breton, Eluard, Dali, Picasso. Alle auf der Suche nach neuem Ausdruck, nach Wahrheit im Ausdruck. Alle kriegsgeprägt, bereit alte Werte zu verwerfen. Dadaismus, Surrealismus, Aufbruch, Neufindung – laut, schnell, exzessiv. Alles wird bis zur Neige probiert, Alkohol, Sex, durchzechte Nächte. Nur langsam dringt das Zeitgeschehen in die Künstlergemeinschaft, spät erst erkennen sie die Zeichen der heranbrechenden Nacht. Erst in letzter Sekunde gelingt Max Ernst die Flucht nach Amerika. Er verliert dabei viel: Freunde, seine vielleicht größte Liebe, Teile seines Werks.

Markus Orths schafft es tatsächlich, den Geist dieser Zeit wieder zum Leben zu erwecken; seine Personen sind aus Fleisch und Blut, nicht nur Schattenbilder aus gut recherchierten Quellen. Wortgewaltig, atemlos, bilderreich gibt er den Menschen eine Stimme, lässt er Farben leuchten, erfasst er Zeitströmungen. Selten habe ich nach dem Lesen eines Buches das Gefühl aufzutauchen, Luft schnappen zu müssen. Hier brauchte ich tatsächlich Zeit, habe ich lange noch Bilder vor mir gesehen, Sprachschnipsel im Kopf gehört, Worte hin und her bewegt.

Und darum möchte ich Markus Orths danken, dass er gegen das Vergessen angeschrieben, Max Ernst und seiner Zeit eine so großartige Stimme gegeben und damit den Menschen hinter den Kunstwerken gezeigt hat.

 

Ich danke dem Hanser Verlag und lovelybooks.de für das Rezensionsexemplar.

Hervorragend

Commissaire Le Floch und das Geheimnis der Weissmaentel von Jean-Francois Parot

Commissaire Le Floch & das Geheimnis der Weißmäntel

Jean-Francois Parot

erschienen 2017 im Blessing Verlag

ISBN 978-3-89667-573-6

 

Mit diesem Buch legt der Blessing Verlag den ersten Band einer Reihe vor, die in Frankreich schon seit dem Jahr 2000 erscheint und es inzwischen auf ganze dreizehn Bände gebracht hat. Sogar eine Serien-Verfilmung gibt es. Hoffen wir, dass wir nicht ebenfalls 17 Jahre auf eine synchronisierte Fassung warten müssen. Das wäre wirklich äußerst schade.

Parot, einem studierten Historiker, spezialisiert auf das 18.Jahrhundert, gelingt es nämlich, sein immenses Wissen in eine spannende und sehr lebendige Geschichte zu verpacken, die den Leser mitnimmt auf eine Reise in das Paris von 1761. Ein Paris im Aufbruch, ein Paris, in dem königlicher Glanz und tiefstes Elend nebeneinander wohnen, ein Paris, in dem Mord und Korruption Alltag sind. Dort nun also soll der junge Provinzler Nicolas Le Floch einen Kriminalfall lösen, der von höchster Bedeutung für den König ist. Le Floch, gerade erst, versehen mit einem Empfehlungsschreiben seines Patenonkels, aus der Bretagne nach Paris gereist, weiß zunächst gar nicht, wie ihm geschieht, kennt er sich doch in der großen Stadt keineswegs aus und mit den Gepflogenheiten der Bewohner schon gar nicht.

Mit diesem raffinierten Kunstgriff hat Parot die Möglichkeit, sowohl Le Floch, als auch uns einiges zu erklären und nutzt das auch geschickt. So begleiten wir also den jungen Mann auf seinem Weg und erfahren nebenher, wie das Leben in Paris zur damaligen Zeit aussah und das ganz unaufdringlich, eingebettet in die Erzählung.

Die nimmt schnell an Fahrt auf, denn mit seinen Ermittlungen scheint unser jugendlicher Held in ein Wespennest gestochen zu haben. Und genauso schnell mag man das Buch nicht mehr aus der Hand legen, das mit 453 Seiten nicht gerade schmal angelegt ist. Zumindest ist es mir so ergangen. Von Mittag bis Mitternacht habe ich durchgelesen, dann war der Fall leider gelöst und ich nur dadurch zu trösten, dass der nächste Band schon im Frühjahr 2018 erscheint und danach hoffentlich noch mindestens elf weitere.

Definitiv auch erwähnenswert ist die Aufmachung des Buches. Der Einband wird beherrscht von einem historischen Stadtplan, der auf der Innenseite die wichtigsten Handlungsorte aufzeigt. So bekommt man ein besseres Gefühl für die zu Fuß oder per Kutsche zurückgelegten Entfernungen. Desweiteren gibt es eine Liste der auftretenden Personen und dazu ergänzend ein Register der historischen Persönlichkeiten, die in diesem Buch von Bedeutung sind. Das ist hochspannend, weil es erkennen lässt, wie präzise Parot seine Geschichte in den historischen Kontext eingefügt hat. Schlussendlich folgt noch ein Glossar mit den wichtigsten Begriffen, so dass der Leser auf seiner Zeitreise wirklich gut begleitet wird.

Ein gut recherchierter, spannend geschriebener historischer Krimi und gelungener Auftakt zur Reihe – wirklich lesenswert!

Eine Annäherung

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Hundejahre

Günther Grass

TB erschienen 1968 bei Rowohlt

Erhältlich derzeit beim dtv-Verlag

 

Günther Grass. Umstrittener Nobelpreisträger, bewundert, gehasst, heiss diskutiert. Kann man als „Normalsterblicher“, als jemand, der zwar gerne und viel liest, aber kein dahingehendes Studium, keine literaturbehandelnde Lehre oder Ausbildung absolviert hat, sich überhaupt zu Grass‘ Werk äußern? Kann man überhaupt der Vielschichtigkeit, den Zitaten und Anspielungen gerecht werden? Ich denke, dass kaum ein Autor nur für die Literaturwissenschaftler oder das Feuilleton schreibt, aber für welchen Leser schreibt Grass?

„Hundejahre“ ist Teil der Danzig-Trilogie, zu der auch die berühmte „Blechtrommel“ und „Katz und Maus“ gehören. Aufgeteilt in drei Teile, mit drei Erzählstimmen, berichtet „Hundejahre“ vom ersten Weltkrieg bis ins Nachkriegsdeutschland der Wirtschaftswunderzeit. Es geht um Eduard Amsel, jüdischer Herkunft, mit dem Talent gesegnet oder verflucht, lebensechte Vogelscheuchen herzustellen, und es geht um Walter Matern, seinen anfänglichen Freund und Beschützer. Natürlich gibt es weitaus mehr Personal, aber schlußendlich wichtig sind diese Beiden und eine Reihe von Schäferhunden edler Abstammung, die ihre verschiedenen Lebensabschnitte begleiten.

Der erste Teil wird erzählt von einem Herrn Brauchsel/ Brauxel/ Brauksel, dem Leiter eines Bergwerks, in dem statt Kohle zu fördern, Vogelscheuchen hergestellt werden. In passend als „Frühschichten“ bezeichneten Kapiteln wird von der Jugend Amsels und Materns berichtet, vom Beginn ihrer Freundschaft, über ihre Herkunft und ihren Charakter. Sie leben in einem kleinen Dorf in der Weichselniederung, jeder kennt jeden und die ersten Jahre gehen verhältnismäßig friedlich dahin. Grass findet dafür einen sehr eigenen Erzählstil: „Und die Weichsel fließt, und die Mühle mahlt, und die Kleinbahn fährt, und die Butter schmilzt, und die Milch wird dick, bißchen Zucker drauf, und der Löffel steht, und die Fähre kommt, und die Sonne weg, und die Sonne da, und der Seesand geht, und die See leckt Sand…“ Solche Satzbandwürmer findet man im gesamten Buch, mal mehr, mal weniger kompliziert gebaut. Bei Herrn Brauchsel, so stellt es sich später heraus, handelt es sich um Eduard Amsel, der in späteren Jahren den Namen wechselt.

Den zweiten Teil übernimmt ein Harry Liebenau, der in Briefen an seine Cousine Tulla den Faden weiterspinnt. Mit Harry erfindet Grass einen blassen Charakter, einen, der immer nur zuschaut, der nie eingreift, selbst nicht in den schlimmsten Momenten, der sich nicht wehrt und der scheinbar auch kaum Ansätze einer eigenen Meinung hat. Im Gegenzug dazu erschafft Grass mit der Cousine Tulla eine der widerlichsten Gestalten der mir bekannten Literatur. Tulla kennt keine Moral, keine Bindungen, keine Hemmungen und keine Liebe. Besonders eindringlich wird das in einer Szene, in der der Schäferhund Harras auf ihr Kommando hin vergiftetes Fleisch frisst. Der Hund, in dessen Hütte sie nach dem Unfalltod ihres Bruders gewohnt hat, der sie beschützt und sich gekümmert hat, wie es zu dem Zeitpunkt wohl kein Mensch gekonnt hätte. Auf die Frage Harrys nach dem Warum antwortet Tulla nur „Na, darum“ und geht. Genauso wie Harry, dessen Familie der Hund gehört. Harry geht protestlos schlafen. Der Hund im Hof krepiert allein. Dieser Harry nun erzählt von den Hitlerjahren, davon, wie sich Amsel den schönen Künsten zuwendet, dem Ballett, dem Gesang, davon wie Matern erst Kommunist wird und dann in die SA eintritt und davon, wie die Freundschaft von Amsel und Matern ein seltsames Ende findet.

Im dritten Teil kommt Matern zu Wort. Matern, der sich seine Geschichte zurecht dreht, seine Schuld anderen zuweist und sich bei ihnen für von ihm begangenes Unrecht rächt. Dieser Teil ist mit Sicherheit der anstrengendste des Buches. Besonders eine Rundfunkdiskussion verlangt dem Leser einiges ab. Damit schließt sich der Kreis: Opfer, Mitläufer und Täter sind zu Wort gekommen. Am leichtesten zu lesen sind sicherlich Harrys Briefe. Hier findet sich am ehesten so etwas wie Erzählfluss und ein nachvollziehbarer Erzählstrang. Und hier sieht man auch,was für ein begnadeter Erzähler Grass war. Wie er mit leichtem Pinselstrich Szenen entwirft, Charaktere skizziert.

Damit kommen wir zur anfänglichen Frage zurück: für wen schreibt Grass? Ich, als einfach nur Lesende ohne Fachhintergrund, bin nach der Lektüre bitterböse. Da kann einer erzählen, schafft eine eigene Welt mit eigener Sprache, und es reicht ihm nicht. Er muss herumexperimentieren, alles ausprobieren, zusammenwürfeln, was Sprache und Literatur hergeben. Da will einer den Leser nicht lesen lassen, er will ihm die Geschichte entziehen, ihn immer wieder aus dem Fluss holen. Aber warum? Weil er zeigen will, was er alles kann, was für ein schriftstellerischer Tausendsassa er ist? Oder vertraut er seiner Idee nicht? Seinen Figuren, seiner Geschichte? Oder lebt er in einer anderen Welt, in die jemand wie ich nicht folgen kann? Ich werde die Antworten nicht finden, aber was bleibt, ist der Eindruck, einen phantastischen Schriftsteller gelesen zu haben, der nicht möchte, dass der „gemeine“ Leser ihn liest und versteht.

Schön aufgemachter Bildband

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Frauen und ihre Hunde

Ulla Fölsing

erschienen 2017 im Thiele Verlag

ISBN 978-3-85179-332-1

erhältlich u. a. hier

 

Mit „Frauen und ihre Hunde“ legt Ulla Fölsing einen wirklich schönen Bildband vor. Es geht dabei um die Kombination Frau/Hund in der Kunst. Die Autorin, selbst Hundehalterin, schreibt regelmäßig über Kunstthemen und scheint mit diesem Buch durchaus eigenes Interessengebiet zu bearbeiten. In zwölf Kapiteln spaziert sie mit dem Leser durch die Kunstgeschichte, vom Codex Manesse um 1300 bis zu Cornelius Völker 1995. Sie zeigt dabei den Wandel des gesellschaftlichen Frauenbildes ebenso, wie auch den Wandel des Hundebildes, vom verschönernden Beiwerk zum Freund und Gefährten.

So lesen wir zum Beispiel über den Einsatz von Hunden auf Hochzeits- oder Herrscherbildern als Wächter über „Tugend, Treue und Status“ (Kapitel 4) oder erfahren etwas über „Die Liebe zum Schosshund“ (Kapitel 5).Im Laufe des neunzehnten Jahrhunderts dann lassen sich zunehmend Bürgerliche mit ihrem Hund malen. Man sieht romantisch ins Gras gehauchte Damen mit verspieltem Begleiter, lesende Damen mit behaglich angekuscheltem Hund, Kinder und Welpen. Auch in erotischen Bildern, zur Betonung weiblicher Nacktheit und zeitgleich als Verteidiger der Unschuld, werden die Tiere eingebunden.

Auf 160 Seiten bietet das Buch eine stattliche Menge von Bildern aus allen Epochen, zumeist ganzseitig abgedruckt. Erstaunlich für mich war die Anzahl der mir bekannten Bilder, auf denen ich nie einen Hund bewusst wahr genommen habe, so zum Beispiel Jan van Eycks Gemälde der Arnolfini-Hochzeit von 1434, wo sich tatsächlich zwischen den Brautleuten ein kleiner struppiger Hund postiert hat. Insgesamt habe ich viele Stunden mit dem Betrachten des Bildbandes verbracht, habe Altbekanntes wieder entdeckt, mir völlig unbekannte Bilder von gar nicht unbekannten Malern gefunden und mich spontan in die Hundebilder des Skagen-Malers Peder Severin Kroyer verliebt.

Ein weiterer, sehr gelungener Part des Buches ist das Vorwort von Elke Heidenreich. Sie beschreibt ihr Verhältnis zu Hunden, erzählt von den Hunden, die sie im Leben begleiten und begleitet haben und stimmt einen damit gleich schon wunderbar auf das Thema ein.

Ich kann also eine klare Leseempfehlung für Hunde- und Kunstfreunde aussprechen. Wer weder das Eine, noch das Andere ist, hat auf jeden Fall ein ansehnliches Coffee-Table-Book…

Ich danke dem Thiele-Verlag und lovelybooks.de für das mir zur Verfügung gestellte Rezensionsexemplar.

Herzlich willkommen in der Uckermark

Vor dem Fest von Saa Stanii

Vor dem Fest

Sasa Stanisic

erschienen 2014 bei Luchterhand

ISBN 978-3-630-87243-8

 

Ratlos. Das trifft es ziemlich genau, „Vor dem Fest“ lässt mich ratlos zurück. Aber zunächst der Inhalt, soweit er sich mir erschließt: Es geht um Fürstenfelde oder -walde oder -werder, ein beliebiges Dorf in der Uckermark. Und es geht um seine Bewohner, die nicht ganz so beliebig sind. Es gibt einen Fährmann, nein falsch, es gab einen Fährmann, die Dorfmalerin, den Glöckner und seinen Lehrling, die Leiterin des Hauses der Heimat und diverse andere Personen. Und dann gibt es noch die Fähe, die auf der Suche nach Leckerbissen für ihre Welpen das Dorf durchstreift. Das Ganze spielt in der Nacht vor dem Annenfest, einem jährlich wiederkehrenden Dorffest. Soweit, so gut.

Auf dieser Grundlage nun entblättert Sasa Stanisic die Dorgeschichte, wechselt zwischen Vergangenheit , näherer und sehr weit entfernter, und Gegenwart. Chroniktexte, Gedankensplitter, Anekdoten, alles sorgfältig vermischt, bedächtig, lakonisch, kaleidoskopartig. Alles ist miteinander verbunden, die Vergangenheit reicht weit in die Gegenwart, Generationen von Dorfbewohnern haben eine gemeinsame Geschichte. Als Individuum hat aber jeder auch seine eigenen Erlebnisse, Träume, Wünsche. Das Buch ist aufgebaut wie ein großes Puzzle. Man hat viele Einzelteile, die hin und her geschoben, teilweise auch zusammen passen. Mir fehlten allerdings immer wieder Teile, ich hatte stetig das Gefühl, mein Puzzle habe blinde Stellen. Vielleicht habe ich nicht sorgfältig genug gelesen? Vielleicht ist auch schlicht meine Bildung nicht ausreichend, um die Andeutungen, Versatzstücke und Schichten zu verstehen, zuzuordnen, zu erkennen? Vielleicht ist das Buch eher für Fachleute geschrieben, den kleinen Kreis der Literaturkenner, die solche Texte spielend entschlüsseln? Die gesammelten Literaturpreise, die der Roman errungen hat, lassen mich das ja vermuten.

Und deshalb, um den kleinen Bogen zum Anfang zu schlagen, bin ich ratlos. Mir bleibt die Erinnerung an eine Nacht, in der allerhand entfesselt wurde, Geister der Vergangenheit, Wolfsrudel, Ängste, Wahnvorstellungen. Und das alles in einem kleinen Dorf in der Uckermark, ein beliebiges Dorf, das so auch in der Lüneburger Heide oder im Harz stehen könnte. Der kleine Wahnsinn des Jedermann.

Manchmal ist es wahrscheinlich einfach so, dass sich ein Roman dem Leser schlicht nicht öffnet und seine Geheimnisse für sich behält. „Vor dem Fest“ hätte wohl lieber einen anderen Leser als mich gehabt. Daher bleibt es bei den blinden Flecken und dem Gefühl, hinter der nächsten Seite stecke die Erkenntnis. In ein paar Jahren sieht das vielleicht anders aus. Fürstenfelde- das war nicht mein letzter Besuch…

 

Gelungener Einstieg in die Reihe

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Artemis Fowl

Eoin Colfer

erschienen 2001 im List Verlag

ISBN 3-471-77251-0

 

2001 erschien der erste Band der Artemis-Fowl-Reihe des irischen Kinder- und Jugendbuchautors Eoin Colfer. Und hat auch über fünfzehn Jahre später nichts von seiner Frische und seinem Witz verloren. Mit sprudelnder Fabulierlust erzählt Colfer die Geschichte des Jungen Artemis, der mit Feengold seine Familie retten möchte und sich dafür mit den Elfen anlegt. Die Elfenwelt ist erfreulicherweise ganz anders gezeichnet als gemeinhin erwartet und auch Artemis hat wenig von einem normalen Zwölfjährigen.

Zum Erscheinungszeitpunkt wurde die Buchreihe als Gegenpol zu Harry Potter bezeichnet. Aber damals wurde fast alles, was Magie enthielt, mit Harry Potter verglichen. In diesem Fall war und ist das völlig unnötig. Colfer hat eine Welt erschaffen, die so überhaupt nichts mit der traditionellen Atmosphäre eines Hogwarts zu tun hat und in der spitze Ohren das Einzige sind, was mit klassischen Elfen vergleichbar ist.

Schon das Cover lässt das erahnen. Dort sieht man nämlich im Boden unter einer lieblichen Landschaft mit Burg eine Stadt mit Gängen und Gebäuden und wenig freundlich aussehenden Bewohnern. Trolle, Zwerge und Elfen haben sich von der Oberwelt zurück gezogen und sich eine technisiert wirkende Lebenswelt im Untergrund geschaffen. Und die verlassen sie eigentlich nur im Notfall. Dass Artemis einen solchen Notfall auslösen wird, liegt in der Natur der Sache. Wie er das macht und was er damit hervorruft, wird hier natürlich nicht berichtet.

Die Charaktere sind für ein actionreiches Buch dieser Art ungewöhnlich gut ausgearbeitet. Artemis, der übrigens durchaus mit Flavia de Luce verwandt sein könnte, ist vielschichtiger als erwartet. Dafür muss man allerdings auch ein wenig zwischen den Zeilen lesen können. Auch der elfische Gegenpart Holly ist nicht nur zart und luftig. Einzig die Trolle sind Trolle und tun, was Trolle gemeinhin so tun. Da sind sich scheinbar alle Schriftsteller einig.

‚Artemis Fowl‘ ist sicherlich kein klassisches Kinderbuch. Auf der Grenze zwischen Kinder- und Jugendbuch würde ich ein Einstiegsalter von etwa elf Jahren empfehlen. Einige Szenen sind doch recht unheimlich, zum Teil auch brutal und ein guter Ausgang ist lange eher ungewiss. Außerdem braucht man schon ein gewisses Technikverständnis, um der Story folgen zu können. Nach oben sind alle Grenzen offen. Colfer schreibt scheinbar nicht speziell für junge Leser, sondern eben für Leser ab einem gewissen Alter. Das merkt man an der Konstruktion der Sätze, an fehlenden Erklärungen, an der Anlage der Charaktere. Und so kann auch ein mittelalter Leser wie ich das Buch flüssig lesen, ohne über erhobene pädagogische Zeigefinger oder sehr kindgerechte Sprache zu stolpern.

Wer also Freude an ungewöhnlichen Ideen, moderner Umsetzung von Märchen und englischen Butlern hat, der möge dieses Buch lesen. Und wird erkennen, dass nichts ist, wie es zunächst erscheint. Ich freue mich nun auf weitere Bände dieser Reihe, die mir zum Erscheinungszeitpunkt irgendwie entgangen ist, trotz damaligem Hype. Aber Bücher sind ja netterweise auch Jahre später noch lesbar. In diesem Fall durchaus ein Vorteil.