Die Geschichte der Bienen
Maja Lunde
erschienen 2017 im btb-Verlag
ISBN 978-3-442-75684-1
Drei Zeitebenen, drei Schicksale, umklammert und verbunden durch die Bienen. Da wäre zum einen in den 1850igern der Samenhändler und Biologe William, der durch die Beschäftigung mit den Bienen seinen Lebenswillen zurückerhält und seine ganze Kraft in die Erfindung des perfekten Bienenkorbes legt. Dann lesen wir über den Imker George, den Beginn des Bienensterbens und wie es diesem Berufszweig abrupt den Boden unter den Füssen wegzieht. Und schlußendlich finden wir uns im Jahre 2098 wieder, wo es längst keine Bienen mehr gibt und alle Berstäubungsarbeit per Hand geschehen muss. Dort folgen wir der Arbeiterin Tao, deren Sohn einen merkwürdigen Unfall erleidet.
Maja Lunde gelingt, was so mancher Biologielehrer sich wünschen würde: sie erweckt ein echtes Interesse an Bienen und ihrer Lebensweise. Und versteckt in ihrem Roman auch einiges an Fachwissen zu diesem Thema, ohne jemals in Vortragston zu verfallen oder langatmig zu werden. Der Roman liest sich flüssig, ist an den richtigen Stellen spannend und erweckt auch die Zukunft in glaubwürdigem Maße. Für mich ungewohnt war, dass auch die Tatsache, dass ich kaum einen Charakter des Buches mochte, die Lesefreude kaum gemindert hat. Ja, ich gestehe, ich fand wirklich fast alle Personen eher unsympathisch und es hat mich nicht gestört, nur gewundert. Schlußendlich ist wohl das Schicksal der Bienen so spannend, dass das keine Rolle spielte.
Der Roman funktioniert daher so gut und ist so eindringlich, weil man eben weiß, dass die ersten beiden Erzählebenen auf Tatsachen beruhen und die Zukunftsvision wahrscheinlich gar nicht soweit entfernt von der Realität ist. Denn wie freundlich kann eine Welt ohne bestäubende Insekten schon sein? Und so bleibt die Hoffnung, dass dieses Buch etwas in den Köpfen bewegt und den Lesern die Dringlichkeit dieses Themas bewußt macht, damit die Zukunftsvision eben genau das bleibt, eine Vision, etwas das hätte sein können, aber gottseidank nie so geschehen ist…
Dieser Roman wurde für die diesjährige Aktion eine Stadt liest ein Buch meiner Heimatstadt ausgewählt. Ich habe gerade schon mal meinen ersten Eindruck verbloggt ( https://soerenheim.wordpress.com/2018/02/09/die-geschichte-der-bienen-erste-einschaetzung-bingen-liest-ein-buch /) und werde wahrscheinlich noch ein oder zwei Mal auf den Text zurückkommen. Ich bin höchstens mittelbegeistert. Stilistisch liest sich das Ganze gut, wenn auch ohne jede Besonderheit. Die Dreiteilung scheint mir eher gezwungen, es ist kein Zufall, dass der Zukunftsteil deutlich mehr Raum einnimmt. Er würde am ehesten auch von alleine tragen. All zu oft sind die Schnitte willkürlich gesetzt, die beiden früheren Erzählungen wirken mehrfach vor allem als retadierendes Moment eingeschnitten.
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Ich denke, der Roman ist ein Versuch, dieses wichtige Thema in den Köpfen der Leser zu verankern. Das Buch liest sich ohne großen Aufwand „so weg“, ist auch für nicht anspruchsvoll Lesende verständlich und spannend genug, und hat somit ein funktionierendes Marketingkonzept. Nicht umsonst versucht Maja Lunde ja nun mit demselben Schema das Thema „Wasser“abzuhandeln.
Natürlich wäre es schöner, wenn hehre Ansprüche an Sprache und Konzept erfüllt wären. Wäre es häufig. Mir hilft es aber schon weiter, wenn mein Nachbar nach der Lektüre aufhört seine Pflanzen mit Giften aller Art zu behelligen und stattdessen ein Insektenhotel baut.
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Ich lese den Roman noch nicht mal als „Aufrüttelroman“, auch wenn er halbwegs interessierte Leser dazu bringen dürfte viel zu dem Thema nachzuschlagen/nachzudenken. Aber Lunde behandelt das Bienensterben durchaus ambivalent (von einem Kapitel abgesehen). Sonst wäre Literatur kaum möglich, dann überschritte man schnell die Grenze zur Predigt. Was das betrifft finde ich den Text durchaus gelungen und dass er einfach zu lesen ist ist für mich kein Minus. Ich hätte mir eine von zwei Richtungen gewünscht. Entweder: ja, mehr Komplexität. Das wäre: konsequentere Integration der drei Erzählstränge statt halbseidene Verknüpfung am Ende, oder: weniger Komplexität. Das wäre: Konzentration auf die detailliertere Ausarbeitung der Zukunftshandlung. Die könnte alleine nämlich auch richtig richtig gut sein.
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So gesehen, gebe ich Dir recht. Aber schlußendlich ist es wohl das, was in der Modebranche als „mit der heißen Nadel gestrickt“ bezeichnet wird. Ein Buch zu diesem Thema schien Erfolgspotential zu haben und viel Zeit zur Umsetzung blieb wohl nicht. Und weil es so schön funktioniert hat, folgt nun der Nachfolgeband nach Schema F. Das kann man endlos fortführen, Themen gibt es ja genug.
Im Nachhinein denke ich, das da jemand die Gleichung Bienensterben+Familiengeschichte³=Umweltthema+Erfolgsroman=Potential für Bestseller aufgestellt hat.
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